Bewerten und weiterbilden: Unternehmen buhlen um Fachkräfte
Frankfurt/Main (dpa) - Qualifizierung der Mitarbeiter steht bei vielen Unternehmen hoch im Kurs - in der Theorie. Doch nicht selten fehlt es an einem sinnvollen Konzept, so die Erfahrung von Personalprofis.
Drohender Fachkräftemangel, alternde Gesellschaft: Die Unternehmen in Deutschland müssen sich etwas einfallen lassen. Allein wegen der demografischen Entwicklung fehlen bundesweit rund 6,5 Millionen Fachkräfte bis zum Jahr 2025, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) errechnet hat. Viele Unternehmen setzen auf Weiterbildung, doch die Umsetzung läuft nicht immer rund.
Über 80 Prozent von 217 Unternehmen gaben bei einer Befragung des Beratungsunternehmens PwC im Jahr 2012 an, verstärkt in Weiterbildung ihrer akademischen Fachkräfte zu investieren, die große Mehrheit plant höhere Ausgaben für Talentförderung und Personalgewinnung. „Doch sobald das Geld knapp wird, sparen Unternehmen vor allem in diesem Bereich“, sagt Christine Hentschel von PwC. Diese Entwicklung bestätigt auch Jörg Kasten von der Personalberatung Boyden. Ein weiteres Problem: „Nicht immer wird den Mitarbeitern klar gesagt, was Ziel des Trainings ist, so werden möglicherweise falsche Hoffnungen geweckt auf einen Karrieresprung oder eine Gehaltserhöhung“, so Kasten.
Vier von fünf Unternehmen erwarten PwC zufolge von Bewerbern ausgeprägte soziale Kompetenzen wie Team- und Konfliktfähigkeit. Doch nur 44 Prozent investieren stark in das Training dieser Fähigkeiten. „Die Zuordnung der Weiterbildungsinvestitionen ist nicht immer nachvollziehbar“, sagt Hentschel.
Weiterbildung nach dem Gießkannenprinzip bringt wenig. Sie müsse für das Unternehmen und den Beschäftigten passen, so PwC. Oft wird der Bedarf beim klassischen Mitarbeitergespräch mit dem Vorgesetzten ermittelt. Auf eine individuelle Bewertung hat der Beschäftigte nach dem Betriebsverfassungsgesetz ohnehin einen Anspruch. Er kann auch verlangen, dass die Möglichkeit in seiner beruflichen Entwicklung im Betrieb erörtert werden.
Für aussagekräftiger als das klassische Mitarbeitergespräch mit dem Chef hält Dennis Hoffmeister, Leiter des Düsseldorfer Büros der Personalberatung Michael Page, die Beurteilung aus verschiedenen Perspektiven, zum Beispiel durch Vorgesetzte, Mitarbeiter des Teams, Kollegen und Kunden. Die in der Sprache der Personaler 360-Grad-Beurteilung genannte „Methode gibt das vollständigste Bild, die Gefahr einer irrtümlichen Bewertung ist am geringsten“, sagt Hoffmeister.
Auf die Bewertung folgt idealerweise die Weiterbildung, damit Mitarbeiter mögliche Lücken schließen können. Das stößt allerdings nicht immer auf Begeisterung. „Selbst im eigenen Unternehmen machen wir die Erfahrung, dass Mitarbeiter zunächst ablehnend reagieren, wenn erkennbar wird, dass sich Abläufe, Strukturen oder Leistungen verbessern lassen könnten“, räumt Hoffmeister ein.
Doch was bringen Bewertung und Weiterbildung den Unternehmen tatsächlich? Zwar führen 70 Prozent der Unternehmen PwC zufolge bei Weiterbildungen eine Erfolgskontrolle durch, allerdings meist in Form einer Befragung der Teilnehmer. Den Erfolg in Euro und Cent zu messen, ist dagegen schwieriger. Eine Möglichkeit ist ein Umsatzvergleich zwischen identischen Gruppen zum Beispiel im Vertrieb - mit und ohne Weiterbildung.
Ein weiteres Kriterium könnte die Fluktuation der Mitarbeiter sein. So führt der Technologiedienstleister Zühlke Engineering seine Quote von unter 5 Prozent im Jahr auch auf seine Maßnahmen zur Mitarbeiterentwicklung zurück: Bis zu 17 Tage Weiterbildung pro Jahr, regelmäßige Mitarbeiterentwicklungsgespräche. Das Unternehmen liege mit der Fluktuationsrate unter dem Branchenschnitt, sagt Ernst Ellmer, Mitglied der Geschäftsführung der Zühlke Engineering GmbH in Eschborn. „Wir brauchen hervorragende Köpfe und wir wollen, dass sie bei uns bleiben“. Das Unternehmen, das zur Schweizer Zühlke Gruppe gehört, beschäftigt vor allem Ingenieure.
Allerdings ist gute Weiterbildung keine Garantie, qualifizierte Mitarbeiter auch zu halten. „Bei manchen Unternehmen bleiben die Beschäftigten, weil sie dort gut ausgebildet werden. Bei anderen gehen sie, nachdem sie gut qualifiziert wurden“, sagt Hentschel.