BGH gibt Jugendlichen mehr Zeit zur Arbeitssuche
Karlsruhe (dpa) - In der Ausbildung müssen Eltern ihre Kinder finanziell unterstützen. Das gilt unter Umständen auch, wenn zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn einige Jahre vergangen sind, hat der Bundesgerichtshof klargestellt.
Junge Menschen können sich künftig mehr Zeit für die Suche nach einem Ausbildungs- oder Studienplatz lassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) billigte in einem Urteil eine Auszeit von drei Jahren. Auch nach diesem Zeitraum könnten die Eltern noch dazu verpflichtet sein, ihren Kindern die Ausbildung zu finanzieren, hieß es in dem am Mittwoch (3. Juli) veröffentlichten Grundsatzurteil (Az. XII ZR 220/12).
Bisher hatten die Gerichte ein Jahr als Orientierungszeitraum zwischen Schule und Berufsausbildung akzeptiert. Danach waren die Eltern oft nicht mehr verpflichtet, die Ausbildung zu finanzieren. Doch auch bei einer Auszeit von drei Jahren ist dem BGH zufolge für die Zahlungspflicht der Eltern maßgeblich, dass die Jugendlichen die Zeit nutzen, um einen Ausbildungsplatz zu finden.
Die Richter gaben damit einer heute 24-jährigen Recht, die ihren in den Niederlanden lebenden Vater verklagt hatte. Sie hatte sich nach ihrer mittleren Reife mit mäßigem Notendurchschnitt drei Jahre lang mit Gelegenheitsjobs und Praktika durchgeschlagen. Als sie schließlich 2010 eine Ausbildung zur Verkäuferin begann, wollte der Vater nicht zahlen. Sie habe sich zu viel Zeit zwischen Schule und Ausbildung gelassen, lautete sein Argument. Die Vorinstanzen hatten den Mann zu einem monatlichen Unterhalt von 218 Euro verpflichtet.
Aber auch nach drei Jahren könne das Kind noch seine Verpflichtung erfüllt haben, sich „planvoll“ und „zielstrebig“ um eine Ausbildung zu bemühen, urteilte der BGH jetzt. Gerade schwächere Schüler seien darauf angewiesen, mögliche Arbeitgeber durch Motivation und Interesse von sich zu überzeugen. Dies könne auch durch vorgeschaltete Orientierungspraktika oder Gelegenheitsjobs geschehen.
Zu lange dürfen sich Kinder aber nicht Zeit lassen, erklärt die Rechtsanwältin Eva Becker. „Irgendwann genießen Eltern Vertrauensschutz“, erläutert die Expertin der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV).
Liegen zwischen dem Ende der Schule und dem Beginn der Lehre mehr als fünf Jahre, müssen die Eltern laut Becker nicht mehr unbedingt die Ausbildung unterstützen. Denn nach dieser langen Zeit müssten sie nicht mehr zwingend damit rechnen, dass solche finanziellen Belastungen auf sie zukommen.
Laut Becker stellt sich in diesem Zusammenhang immer eine wichtige Frage: „Mussten die Eltern damit rechnen, dass das Kind irgendwann eine Ausbildung beginnt?“ Ein Beispiel: Ein Kind macht nach dem Abitur erst ein soziales Jahr und dann diverse Praktika. „Ist das Ziel dahinter die Vorbereitung auf ein Studium oder eine Ausbildung, müssen die Eltern zahlen, wenn der Nachwuchs dann damit tatsächlich beginnt“, erläutert die Fachanwältin.
Hat das Kind hingegen jahrelang nur wenig getan, was auf eine spätere Ausbildung hindeutet, müssen die Eltern dann auch nicht unbedingt einspringen. War der Nachwuchs nach dem Ende der Schule zum Beispiel längere Zeit auf Reisen im Ausland und hatte wenig Kontakt zu den Eltern, müssen diese nicht sofort einspringen, wenn das Kind plötzlich wieder auftaucht und um Unterstützung bittet.