Frauen im Berufsleben immer noch benachteiligt
Brüssel (dpa) - Seit 1957 haben Frauen auf europäischer Ebene die gleichen Rechte wie Männer - zumindest auf dem Papier. Ob bei Löhnen oder Karrierechancen: In der Realität sieht es meist anders aus.
Gleiche Rechte, doch deutlich weniger Geld und Macht: Auch zum 100. Geburtstag des Weltfrauentags (8. März) haben Frauen in Europa immer noch das Nachsehen. Besonders bemerkbar macht sich das im Arbeitsleben, denn niedrigere Löhne für Frauen in Europa gehören zum Alltag. Nach Angaben der EU-Kommission verdienen Frauen während ihres Arbeitslebens im Durchschnitt 17,5 Prozent weniger als Männer.
„97 Millionen Frauen in Europa arbeiten bereits seit dem 1. Januar, werden aber - wenn man so will - erst seit dieser Woche bezahlt“, sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding in Brüssel zum Weltfrauentag. Das geringere Einkommen von Frauen führt der EU zufolge auch zu niedrigeren Renten: 22 Prozent der pensionierten Frauen über 65 sind armutsgefährdet, dagegen sind es nur 16 Prozent bei den Männern.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit gehört bereits seit 1957 zu den festgeschriebenen EU-Grundprinzipien - zumindest auf dem Papier. Nach den Zahlen von 2008 schwankt der Lohnunterschied zwischen 5 Prozent in Italien und 30 Prozent in Estland. In Deutschland verdienen Frauen nach Angaben der Gewerkschaft Verdi 23 Prozent weniger als Männer.
Ob Frauen arbeiten, hängt vor allem von der Anzahl ihrer Kinder ab. Dabei gelten für die Geschlechter aber scheinbar andere Gesetze: Nach Angaben der EU-Statistiker sinkt die Beschäftigungsquote für Frauen zwischen 25 und 54 Jahren mit steigender Kinderzahl. Dagegen verhält es sich für Männer derselben Altersgruppe nahezu umgekehrt. Während 2009 in den 27 Mitgliedstaaten Frauen mit drei oder mehr Kindern knapp 55 Prozent Arbeit hatten, waren Männer mit den gleichen Umständen zu mehr als 85 Prozent beschäftigt.
Neben finanzieller Gleichstellung ist auch Chancengleichheit ein Problem. Vor allem in den Chefetagen der größten europäischen Unternehmen macht sich ein Ungleichgewicht bemerkbar. Einem EU- Bericht für das Jahr 2010 zufolge ist nur jedes zehnte Vorstandsmitglied eine Frau, in 97 Prozent der Fälle ist der Vorstandschef ein Mann - und das, obwohl 60 Prozent der Universitätsabgänger in Europa weiblich sind.
Den höchsten Frauenanteil in Firmenspitzen hatten die Schweden und Finnen mit 26 Prozent - doppelt so viele wie in der Bundesrepublik. Schlusslichter sind Malta und Luxemburg mit zwei und vier Prozent. Für die Umfrage wurden alle im sogenannten Blue-Chip-Index vertretenen Unternehmen befragt, die weltweit an den wichtigsten Börsen notiert sind.
Für die EU-Justizkommissarin machen Konzerne mit der Benachteiligung von Frauen einen Fehler. Studien zeigten, dass Unternehmen mit vielen weiblichen Führungskräften insgesamt besser abschneiden - etwa bei den Betriebseinnahmen. „Frauen sind ein Gewinn“, sagt Reding. Leila Kurki vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EESC) geht noch einen Schritt weiter: „Europas Wirtschaftswachstum und bessere Lebensbedingungen hängen davon ab, ob man Frauen die Chance auf dem Arbeitsmarkt gibt, ihre Fähigkeiten einzubringen.“