Keine Angst vor exotischen Bachelor-Programmen
Hannover/Berlin (dpa/tmn) - Sie heißen „Automotive Management“, „Angewandte Gesundheitswissenschaften“ oder „Global Change Ecology“. An den deutschen Hochschulen entstehen infolge der Bologna-Reform ständig neue Studiengänge, von denen manche recht exotisch klingen.
Einige davon behandeln durchaus spannende Themen, die so nirgendwo sonst gelehrt werden. Es kann also Vorteile haben, bei der Studienwahl ein wenig Pioniergeist zu zeigen. Allerdings dürfte manche der Gedanke abschrecken, zum ersten Jahrgang eines Studiengangs zu gehören. „Finger weg“ ist aber die falsche Devise.
Über die neuen Bachelorstudiengänge sind viele Studenten generell nicht gerade glücklich. Sie beklagen zu volle Lehrpläne und Prüfungen am Fließband. Das mögen Kinderkrankheiten der Reform sein, wie ihre Befürworter beteuern. Wenn das stimmt, spricht es aber erst recht gegen neu eingerichtete Fächer. Denn in ihnen wird schließlich am lebenden Objekt getestet, ob ein gerade erst erfundenes Patent für die Patienten verträglich ist.
Da klingt es geradezu beruhigend, dass die typischen Bachelorleiden keineswegs eine Eigenart von neumodischen Fächern sind. Es hakt ebenso bei schon länger etablierten Studiengängen, wie der Studienqualitätsmonitor 2007 des Hochschul-Informations-Systems (HIS) in Hannover ergab. Besonders Erstsemester fühlen sich demnach oft ziemlich verloren an den Hochschulen. Gut jeder dritte Student (30 Prozent) findet die Einführungsangebote für Neulinge „schlecht“ oder „sehr schlecht“. Außerdem kritisieren viele, dass Lehrveranstaltungen oft zu voll sowie inhaltlich und zeitlich nur schlecht aufeinander abgestimmt seien.
Diese Probleme sind bei neuen Studiengängen aber nicht automatisch größer als bei anderen. „Die Ängste sind unbegründet“, glaubt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk in Berlin. „Man sollte den Hochschulen zugestehen, dass sie aus ihren Fehlern bei der Umsetzung der Bachelor- und Masterstudiengänge gelernt haben.“ Studenten in neuen Studiengängen seien keine Versuchskaninchen, ist Grob sich sicher. „Die Ära der Kinderkrankheiten beim Bachelor und Master ist vorbei, egal, ob es sich um ein länger bestehendes oder neu eingerichtetes Fach handelt.“
Blauäugig sollten Schulabgänger neuen Studienkonzepten aber nicht vertrauen. „Sie sollten sich vorher informieren, wie ähnliche Studiengänge an anderen Hochschulen organisiert sind“, rät Grob. So könnten sie etwa vergleichen, wie viel Zeit für die Studienabschnitte vorgesehen ist und wie viele Module absolviert werden müssen.
Ob die Prüfungslast nicht zu groß ist, kann Pionieren aber niemand sagen. Es gebe in neuen Studiengängen schließlich keine Studenten höherer Semester, die man fragen kann, erklärt Florian Pranghe vom Freien Zusammenschluss von Studentenschaften in Berlin.
Im ersten Jahrgang könne daher das Problem auftauchen, dass eine Klausur nicht angemessen konzipiert ist: „Möglicherweise ist sie zu leicht - das stört die meisten sicher nicht“, sagt Pranghe. „Aber wenn eine Klausur zu schwer ist, kann es passieren, dass viele durchfallen.“ Bei einigen Hochschulen werde jedoch auf dem Abschlusszeugnis vermerkt, durch wie viele Klausuren man durchgefallen ist - das sieht nicht unbedingt gut aus. „Außerdem kann es passieren, dass eine bestandene Klausur Bedingung ist, um einen anderen Kurs belegen zu können.“
Allerdings haben neue Studiengänge für Pranghe auch einen entscheidenden Vorteil: „Professoren und andere Lehrkräfte sind wahrscheinlich deutlich motivierter als in anderen Studiengängen, wo sie zum Beispiel eine Vorlesung schon zum 20. Mal halten.“ Vielleicht gehe es im neuen Studiengang auch mehr um die Themen, die sie besonders interessieren - und in die sie sich gerne hineinknien.
Und wenn es in einem Studiengang erst wenige Studenten gibt, hat das auch den Vorteil, dass die Sprechstunden der Dozenten nicht so überfüllt sind. „Dadurch haben Lehrkräfte vielleicht mehr Zeit für einzelne Studenten und ihre Sorgen - was gerade in der Startphase eines neues Studiengangs nützlich sein kann“, sagt Stefan Grob.