Wie werde ich ...? Musiktherapeut
Heidelberg (dpa/tmn) - Musik regt unsere Gefühle an. Das machen sich Musiktherapeuten zunutze. Sie versuchen, mit Hilfe von rhythmischen Übungen und wohltuenden Klängen die Gesundheit von Patienten zu fördern.
Dur oder Moll - in der Sprache der Musik steht das für Glück oder Trauer. In ihr lässt sich manchmal ausdrücken, wofür einem die Worte fehlen. Während Ärzte Pillen verschreiben und Psychologen Gespräche führen, versuchen Musiktherapeuten daher, mit Rhythmen und Harmonien zu heilen.
„Die Aufgabe des Musiktherapeuten ist es, Zugang zu Menschen zu finden und therapeutisch zu nutzen, auch in Fällen, wo das anders nicht mehr möglich wäre“, sagt Dorothee von Moreau, Leiterin der Lehrambulanz für Musiktherapie an der SRH Hochschule Heidelberg. „Musik bringt Dinge ins Bewusstsein, die mitunter anders nicht mehr zu erleben wären“, ergänzt Lutz Neugebauer vom Vorstand der Deutschen Musiktherapeutische Gesellschaft (DMtG) in Berlin.
Musiktherapeuten arbeiten mit der Grundmusikalität, die jeder Mensch in sich trägt. Zum einen machen sie für ihre Patienten Musik. Dabei versuchen sie, auf den Hörer einzugehen, indem sie beispielsweise auf seinen Atemrhythmus achten. „Das Einlegen einer munteren CD genügt hier nicht“, erklärt Neugebauer. Er arbeitet seit mehr als 25 Jahren musiktherapeutisch.
Bei der aktiven Therapieform improvisieren Patienten auf Instrumenten wie der Gitarre, dem Xylofon oder dem Klavier. Oder sie singen. Auf diese Weise können sie mitunter Gefühle und Gedanken äußern, für die sie keine Worte finden. „Der Therapeut sollte hören können, was der Patient nicht in Worte zu kleiden vermag“, sagt Dorothee von Moreau. Das heißt nicht, dass einem durch Musik gleich leicht und froh zumute wird. In der Therapie haben schrille Töne ebenfalls einen Platz. „Auch die dunklen Seiten kommen zum Klingen.“
Musiktherapeuten betreuen ihre Patienten einzeln oder in Gruppen. Dazu gehören psychisch Kranke sowie Menschen, die im Sterben oder im Koma liegen. Ihr Einsatzgebiet umfasst Süchte, Verhaltensstörungen, neurologischen Krankheiten wie Parkinson und chronische Schmerzen. Bei Geh- und Sprachstörungen gilt die Heilkraft der Musik als wissenschaftlich belegt.
Die Idee heilender Musik reicht weit zurück. Im Alten Testament erlöst David durch sein Harfenspiel König Saul von dessen Plagen. Solche Klänge heilen aber keineswegs automatisch. „Laien fragen mitunter: Meine Oma hat einen Schlaganfall. Welche Platte soll ich auflegen?“, erzählt Lutz Neugebauer. Das funktioniere nicht, weil Menschen Musik unterschiedlich empfinden. „Was den einen erfreut, erinnert den anderen an traumatische Erlebnisse.“ Als sicher gilt aber, dass Musik verschiedene Hirnareale zusammenarbeiten lässt. „Es gibt etwas, das nur in der Musik stattfindet.“
Musiktherapie ist Teamarbeit: Die Therapeuten arbeiten eng mit Ärzten und Heilpädagogen zusammen. In Schulen, Alten- und Pflegeheimen sowie sozialen Einrichtungen finden sie Arbeit.
Der Weg in den Beruf führt zum einen über entsprechende Lehrgänge. Diese Art der Ausbildung ist nicht staatlich geregelt. Die Zugangsvoraussetzungen hängen vom Anbieter ab, wie die Bundesagentur für Arbeit erläutert. Das Abitur ist nicht immer notwendig. Der Berufsverband empfiehlt dagegen eine akademische Ausbildung. So kann man an Hochschulen einen Bachelor und Master in dem Fach machen.
Studienbewerber müssen ein Instrument beherrschen und musiktheoretische Kenntnisse nachweisen. Moreau rät, sich gründlich auf die Aufnahmeprüfung vorzubereiten. Außerdem empfiehlt sie ein klinisches Praktikum. „Anwärter stellen rasch fest, ob sie permanent mit menschlichem Leid arbeiten wollen“, erklärt sie. Später können angehende Musiktherapeuten sich spezialisieren - es gibt tiefenpsychologische, verhaltenstherapeutische, systemische, anthroposophische und ganzheitlich-humanistische Ausrichtungen.
Die DMtG listet neun staatliche Einrichtungen für die musiktherapeutische Ausbildung, sieben zertifizierte private Einrichtungen und sechs weitere Ausbildungsstätten in Deutschland auf. Dazu kommen elf Häuser in Belgien, Österreich, der Niederlande und der Schweiz. Der Erwerb des Bachelors dauert bis zu vier Jahre. Die Ausbildungsdauer anderer Kurse beträgt ein bis vier Jahre.