Nur unter vier Augen: Kritik gehört nicht in die große Runde
Berlin (dpa/tmn) — „Immer machen Sie das falsch!“ — Egal, ob der Chef kritisiert oder ein Mitarbeiter seinen Kollegen: Den richtigen Ton für ein negatives Feedback zu finden, ist nicht leicht.
Doch konstruktiv Kritik zu üben, lässt sich lernen.
„Du bist wie eine mäßige Mahlzeit. Ganz lecker, aber ziemlich fad.“ Heidi Klum hat in ihrer Casting-Show „Germany's Next Topmodel“ mit ihren Kandidatinnen wenig Gnade. Bringt eine nicht die gewünschte Leistung, übt sie Kritik — doch selten ist sie konstruktiv. Meist läuft es auf eine öffentliche Demütigung hinaus. Dass so eine negative Art des Feedbacks im Job nichts verloren hat, dürfte für die meisten selbstverständlich sein. Doch eine kleine Klum steckt in vielen. Wer hat nicht schon einmal einem Kollegen, weil er zum x-ten Mal etwas falsch gemacht hat, ein wütendes „Lernst Du das noch?“ oder „Immer machst Du das falsch!“ an den Kopf geschmettert?
Wer jedoch wirklich möchte, dass ein Mitarbeiter oder Kollege ein störendes Verhalten abstellt, kommt mit einem Donnerwetter oder markigen Sprüchen nicht weit. „Das verschafft dem Kritisierenden zwar im ersten Moment Genugtuung“, sagt Barbara Berckhan, die einen Ratgeber zum Thema geschrieben hat. Doch die Kritisierten fühlten sich meist angegriffen. Niemand hört gerne negatives Feedback — und in einem Ton, der als unverschämt empfunden wird, schon gar nicht. Die meisten dürften in so einer Situation die Ohren einfach auf Durchzug stellen. Doch wie äußern Beschäftigte Kritik so, dass sie ankommt?
„Damit negatives Feedback angenommen werden kann, ist das Wichtigste, dass der Kritisierte sein Gesicht wahren kann“, erklärt Jana Völkel-Kitzmann. Sie bringt Führungskräften in Seminaren bei, wie sie konstruktiv Kritik üben. Wann ein Gesichtsverlust droht, können Berufstätige ganz leicht herausfinden. Sie müssen sich nur in den Kritisierten hineinversetzen und sich fragen, ob sie das negative Feedback in der vorgetragenen Form akzeptieren könnten.
Ein entschiedenes „Nein“ dürften die meisten antworten, wenn ihnen der Chef oder Kollege ihre Defizite in einem Wutanfall verpackt vorträgt. Die Gefahr ist dann groß, dass die Kritik unsachlich ist oder zu scharf formuliert geäußert wird. Wer konstruktiv Kritik üben will, sollte deshalb nie spontan handeln, empfiehlt die Karriereberaterin Svenja Hofert. Besser sei es, eine als ärgerlich empfundene Situation zunächst einmal zu überschlafen.
Im Gespräch selbst sollte der Kritisierende dann Vorhaltungen à la „Immer machen Sie“ vermeiden. Das werde beim anderen nur Ablehnung provozieren, prophezeit Völkel-Kitzmann. Stattdessen besser Ich-Botschaften formulieren und sagen: „Ich habe viel Arbeit, weil Sie...“. Mindestens genauso wichtig wie die Ich-Botschaften ist es, die Kritik möglichst konkret zu machen und sie mit vielen Beispielen zu illustrieren.
Auch mit der Wortwahl sollten Berufstätige aufpassen, warnt Berckhan. Bei negativen Rückmeldungen reagierten viele dünnhäutig und legten jedes Wort auf die Goldwaage. Und eines sollte selbstverständlich sein, wenn der Kritikübende einen Gesichtsverlust beim Gegenüber vermeiden will: Negatives Feedback sollte immer nur unter vier Augen gegeben werden, sind sich alle Experten einig. Niemand holt sich gerne einen Rüffel ab, wenn andere zuschauen.