Wie werde ich ...? Goldschmied
Würzburg (dpa/tmn) - Feilen, biegen, löten: Fertig ist der Ehering. Was einfach klingt, dauert in der Praxis oft Stunden. Neben Fingerspitzengefühl und Respekt vor edlen Materialien brauchen Goldschmiede vor allem eins: Geduld.
Immer wieder fährt die raue Seite der Feile über das graue Stück Blech. Jede noch so winzige Unebenheit muss verschwinden. Erst dann will Andrea Emmerich das Material zu einem Ring schließen. Seit einer Stunde arbeitet sie bereits an dem Schmuckstück, das Liebe, Treue und Verbundenheit symbolisiert.
Dieser Ehering ist einer von vielen, die beim Juwelier Thein in Würzburg entstehen. Verantwortlich dafür ist die Goldschmiedemeisterin Emmerich. „Ich liebe das Handwerkliche an dem Beruf“, sagt die 30-Jährige. Einen Bürojob habe sie sich nie vorstellen können. Statt am Schreibtisch zu sitzen, bastelt sie täglich an neuen Ringen und Armbändern oder repariert Ketten. „Die Arbeit erfordert Kreativität, das mag ich.“
Handwerkliches Geschick und eine kreative Ader: Diese Eigenschaften müssen Schulabgänger mitbringen, die eine Ausbildung zum Goldschmied machen möchten. Dreieinhalb Jahre dauert die duale Lehre in Betrieb und Berufsschule. Alternativ wird eine rein schulische Ausbildung angeboten. Dabei ist auf dem Stundenplan vom zartgliedrigen Fußkettchen bis zum opulenten Collier mit Brillanten und Perlen alles dabei.
So verschieden wie die Schmuckstücke sind auch die jeweils nötigen Arbeitsschritte. Auszubildende lernen, wie bei Ketten die Glieder ineinander gehängt und Juwelen für einen Ring geschliffen werden müssen. Sie müssen wissen, welche chemischen und physikalischen Vorgänge beim Legieren, Schmelzen und Glühen von Metallen ablaufen. Und schließlich üben sie, wie sie Kundenwünsche erst in eine Skizze und dann in ein Schmuckstück umsetzen.
Im dritten und vierten Lehrjahr verfeinern Auszubildende die erlernten Arbeitsschritte - je nachdem, für welche Fachrichtung sie sich entscheiden. Beim Schwerpunkt Juwelen liegt das Hauptaugenmerk darauf, Schmuck mit Diamanten, Smaragden oder Rubinen zu besetzen. Wer sich für die Fachrichtung Ketten entscheidet, lernt, Schmuckglieder ineinander zu flechten. Und beim Bereich Schmuck geht es um das Schmieden und Reparieren von Ringen oder Armbändern.
„Es ist ein sehr kreatives Handwerk, das viel von einem abverlangt“, sagt Horst Teuscher vom Zentralverband der Deutschen Goldschmiede, Silberschmiede und Juweliere in Cottbus. Bewerber sollten gut in Chemie, Mathematik und Werken sein - und sie müssen viel Geduld mitbringen. Manchmal gehe es beim Schmieden um einen Zehntel-Millimeter. Da sei Fingerspitzengefühl gefragt, so Teuscher.
Aber auch wer all diese Voraussetzungen erfüllt, hat den Ausbildungsplatz längst noch nicht sicher in der Tasche. Denn das Goldschmiedehandwerk ist beliebt - und auf wenige Lehrstellen kommen häufig Dutzende von Bewerbern. In Brandenburg gebe es zum Beispiel pro Jahr nur drei bis vier Ausbildungsplätze, sagt Teuscher.
„Viele Bewerber sind einfach auch nicht genügend qualifiziert. Mit einer fünf in Mathe muss man gar nicht erst ankommen“, stellt Teuscher fest. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zählte 2011 270 neu geschlossene Ausbildungsverträge. Rund die Hälfte der Bewerber hatte Abitur. Rein rechtlich ist eine bestimmter Schulabschluss aber nicht vorgeschrieben, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Und ein weiterer Blick in die Statistik zeigt: Das Goldschmiedehandwerk ist eine Frauendomäne. Von bundesweit 819 Auszubildenden in 2011 waren fast 80 Prozent weiblich. „Die Ausbildung wird auch gerne als Basis für ein Kreativ-Studium genutzt“, erklärt Teuscher. Andere satteln nach ihren Gesellenjahren den Meister drauf. So auch Andrea Emmerich. Sie träumt davon, sich später einmal selbstständig zu machen.
Die Verdienstmöglichkeiten sind eher bescheiden. Zwar gibt die Bundesagentur für Arbeit Vergütungen von bis zu 818 Euro pro Monat im ersten Ausbildungsjahr an. In der Praxis sind diese Zahlen aber überhaupt nicht realistisch, erklärt Manfred Erdmann, Geschäftsführer der Juwelier-, Gold- und Silberschmiede-Innung Dortmund. „Es gibt keine Tarife. Die Landesinnungen geben nur Gehaltsempfehlungen raus.“
Und die liegen deutlich niedriger: Danach bekommen Azubis in Nordrhein Westfalen im ersten Lehrjahr rund 240 Euro, im vierten gibt es 320. Im Süden Deutschlands seien die Gehälter etwas höher. „Nur Friseure sind noch schlechter bezahlt“, so Erdmann. Bei Gesellen liege der Stundenlohn bei 8,10 Euro. „Aber es ist oft nicht das Geld, sondern das gute Image des Berufs, warum die Lehrstellen so begehrt sind“, erklärt Teuscher.
Mit einer Zange hält Andrea Emmerich den Ring in die glühende Flamme des Bunsenbrenners, um das Material gefügig zu machen. In sechs Stunden wird der Ehering fertig sein. Bis dahin hat die Goldschmiedemeisterin aber noch viel zu tun.