Fernlehrgang am Feierabend - Die Familie muss mitspielen
Berlin (dpa/tmn) - Das Telefon klingelt, die Kinder drängeln: Zu Hause in Ruhe zu arbeiten, fällt vielen Fernlernenden schwer. Um das Pensum trotzdem zu schaffen, braucht es einen guten Plan - und klare Absprachen mit der Familie.
Unter Langeweile litt Detlef Ames vor sechs Jahren sicher nicht: Der Job als Ingenieur in der Qualitätssicherung bei einem großen Autobauer forderte ihn. Regelmäßig standen Dienstreisen an, und das Haus war frisch gekauft. Außerdem zog er mit seiner Frau fünf Kinder vom Kleinkindalter bis zum Teenager groß.
Das hielt den heute 48-Jährigen nicht davon ab, sich für den Fernstudiengang „Europäische Betriebswirtschaftslehre“ einzuschreiben. Ames hatte die Managementebene im Blick. „Die Voraussetzung dafür, so sagte man mir, seien betriebswirtschaftliche Kenntnisse“, sagt er.
Ames ist einer von 382 000 Menschen in Deutschland, die einen Fernlehrgang machen. Das geht aus der Fernunterrichtsstatistik des Fachverbandes Forum DistancE-Learning von 2011 hervor. Immer beliebter wird dabei das akademische Fernstudium. 2011 waren 133 000 Personen in einem Fernstudiengang immatrikuliert. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Zuwachs von 12 Prozent.
„Der Anfang ist für viele das Schwierigste“, sagt Dörte Giebel vom Institut für Lernsysteme (ILS), einem Anbieter von Fernlernkursen. Nach Jahren im Beruf sich wieder an den Schreibtisch zu setzen und zu pauken, fällt den meisten nicht leicht. Um irgendwo anzufangen, sei es gut, erst einmal einen Lehrplan zu machen. So bekomme der am Anfang kaum zu überwindende Berg an Lernstoff eine Struktur.
Um möglichst rasch Routine zu bekommen, sollten Fernlernende in den Studienplan feste Lerntage und -zeiten eintragen. Dabei sollte es gerade am Anfang Raum für Experimente geben: „Probieren Sie aus, wie Sie das Lernen am besten in den Alltag integrieren“, rät Giebel.
Viele machen auch den Fehler, sich am Anfang zu viel vorzunehmen. Sie verplanen jede Minute - und sind dann schnell überarbeitet und erschöpft. Besser sei, das Pensum langsam zu steigern, so Giebel. Sie empfiehlt, mit sechs bis acht Stunden pro Woche zu planen - nicht mehr.
Doch gerade Ferlernende mit Familie haben oft Schwierigkeiten, das straffe Pensum einzuhalten. Denn kaum sitzen sie am Schreibtisch, wollen die Kinder oder der Partner etwas von einem. Für sie sei es deshalb besonders wichtig, klare Absprachen zu treffen, rät Christian Weilmeier, Motivationstrainer aus Frankfurt am Main. Dazu gehöre zum Beispiel, dass Störungen tabu sind, wenn der Fernlernende am Schreibtisch sitzt.
Bleibt das Problem mit den Motivationstiefs: Irgendwann packt die Unlust fast jeden einmal. „Manchmal erwartet man zu viel von sich, eine Weiterbildung erfordert einen langen Atem“, sagt Weilmeier. In solchen Krisenmomenten helfe es den meisten, sich wieder auf ihr Ziel zu besinnen. Dabei sollte man sich überlegen: „Wie fühlt sich das an, wenn man den Abschluss geschafft hat, wie sieht dieses Bild aus?“, empfiehlt Weilmeier. Dann komme die Motivation oft wieder von ganz allein.
Eine wichtige Stütze können in Krisen auch andere Fernlerner sein. Denn sie haben ähnliche Sorgen. Und eine Kleinigkeit sollten Fernlernende nicht vergessen: Für erreichte Zwischenziele wie eine bestandene Klausur sollten sie sich belohnen.
Detlef Ames hat sein Ziel nicht aus den Augen verloren. Er hat sein Studium mit der Note 1,5 und dem Titel Diplom-Kaufmann abgeschlossen. Und tatsächlich beförderte ihn sein Arbeitgeber auf eine außertarifliche Managementposition. Die Mühe hat sich für ihn also gelohnt.