Wie werde ich...? Industriekaufmann/-frau
Bonn (dpa/tmn) - Elektro-, Fahrzeug- oder Textilunternehmen: Industriekaufleute gibt es fast in jeder Branche. Jedes Jahr beginnen Tausende Jugendliche die Ausbildung. Die Ansprüche der Betriebe sind hoch: Die Mehrheit der Lehrlinge hat inzwischen Abitur.
Eines ist sicher: Fachidioten haben es in dieser Ausbildung schwer. Wer Industriekaufmann werden will, braucht viele Talente. Die Fachkräfte sind in Firmen in fast allen Abteilungen im Einsatz. Sie sitzen im Einkauf und bestellen Rohstoffe und Zubehör, sie arbeiten in der Logistik und kümmern sich etwa um die Lagerung von Produkten. Es gibt sie im Verkauf genauso wie im Marketing, sogar in der Personalabteilung haben sie Jobs. Kurzum: Sie müssen auf verschiedenen Gebieten viel leisten.
Kaum eine Ausbildung wird von Jugendlichen so häufig gewählt: 2013 starteten 18 951 Schulabgänger in die Lehre. Das geht aus Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hervor. Nur in Ausbildungen wie Einzelhandels- oder Bürokaufmann sowie Kfz-Mechatroniker fangen noch mehr Jugendliche an. Das liegt auch daran, dass der Bedarf groß ist: Firmen in allen Branchen stellen sie an. Die Berufsaussichten für Jugendliche seien ausgesprochen gut, sagt Andreas Pieper vom BIBB in Bonn.
Industriekaufleute organisieren betriebswirtschaftliche Abläufe. Sie verhandeln mit Lieferanten über Konditionen, packen auch einmal in der Produktion mit an und sorgen dort für einen reibungslosen Betrieb. Sie stehen im Kontakt mit Kunden und beschäftigen sich etwa im Vertrieb mit Reklamationen. In der Personalabteilung rechnen sie Löhne und Gehälter ab und unterstützen die Arbeitgeber bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Im Rechnungswesen behalten sie den Überblick über Kosten, Rechnungen und Umsatzergebnisse, erzählt Pieper.
Wer sich für die dreijährige Ausbildung interessiert, sollte Spaß an Zahlen haben. Ein bestimmter Schulabschluss ist formal zwar nicht erforderlich. Tatsächlich hatten 2012 jedoch fast zwei von drei Ausbildungsanfängern (65 Prozent) Abitur, wie aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. Fast jeder Dritte (32 Prozent) konnte die mittlere Reife vorweisen. Nur eine Minderheit (3 Prozent) hatte einen Hauptschulabschluss oder keinen Abschluss. Der Anteil der Auszubildenden mit Hochschulreife steige seit Jahren, sagt Pieper. Die meisten Auszubildenden sind Frauen.
Doch Freude an Mathe allein reicht nicht: Auch Kommunikationsfähigkeit, Organisationstalent sowie Interesse an rechtlichen Fragestellungen sind gefordert. Zu den Aufgaben von Industriekaufleuten gehört es, Verträge auszugestalten. Gut ist auch, wenn Auszubildende Spaß an Fremdsprachen haben. Je nach Betrieb haben sie Kontakt zu internationalen Kunden. Zumindest gute Englisch-Kenntnisse sind oft erwünscht. Wer darüber hinaus eine zweite Fremdsprache spricht, ist im Vorteil. Das gilt insbesondere dann, wenn es eine exotische Sprache wie Chinesisch oder Japanisch ist.
Jugendliche lernen in der Regel im Betrieb und in der Berufsschule. Grundsätzlich ist auch eine rein schulische Ausbildung möglich. In der Berufsschule gehe es zum Beispiel um Rechnungswesen, erzählt Simon Grupe, Experte für das Thema beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Berufsschüler befassen sich etwa mit Jahresabschlüssen oder der Liquiditäts- und Finanzplanung.
Während der Ausbildung bekommen Lehrlinge im ersten Lehrjahr laut Bundesarbeitsagentur eine Vergütung von 780 bis 844 Euro brutto pro Monat, im zweiten sind es zwischen 832 bis 897 Euro und im dritten zwischen 887 bis 968 Euro. Eine Ausnahme sind die Berufsfachschulen. Hier wird keine Vergütung gezahlt. Nach der Ausbildung können Jugendliche mit einem Einstiegsgehalt von 1800 Euro brutto rechnen. In einzelnen Branchen kann es auch deutlich mehr sein.
Wer die Karriereleiter erklimmen will, kann später die Weiterbildung zum Industriefachwirt machen. Einige fangen nach der Ausbildung auch ein Studium an. Betriebs- und Volkswirtschaft bieten sich an. Mancher Unternehmensberater ist gelernter Industriekaufmann. Die Ausbildung ist für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre hilfreich. „Mancher Bachelorstudent kennt den Stoff schon und langweilt sich deshalb anfangs“, sagt Grupe.
Grundsätzlich gilt: Mit der Ausbildung zum Industriekaufmann ist es ähnlich wie mit einem BWL-Studium. Mit beidem wird eine breite Basis für kaufmännisches Denken und Handeln gelegt, sagt Pieper. Es ist eine Art Joker: „Die Absolventen verfügen über Kompetenzen, die in allen Betrieben benötigt und geschätzt werden.“