Wie werde ich...? Sozialversicherungs-Fachangestellter
Trier (dpa/tmn) - Sie arbeiten bei Kranken- oder Rentenkassen: Azubis in der Sozialversicherungsbranche. Sie kümmern sich um Anträge auf Pflegegeld und um verlorene Versichertenkarten. Der Blick ins Gesetz ist in dem Job Alltag.
Doch es geht nicht nur um Paragrafen.
Bis André Lochen seinen Ausbildungsplatz bei der Krankenkasse AOK hatte, war es ein weiter Weg. Zusammen mit mehr als 100 Bewerbern machte er zunächst einen schriftlichen Test. Weniger als ein Drittel hat ihn bestanden. In Sechser-Gruppen ging es dann in das Assessment-Center: Gruppendiskussionen, Gruppenarbeit, Verkaufsgespräche, Interviews. Am Ende bekam aus jeder Gruppe einer einen Ausbildungsplatz, Lochen gehörte dazu. Seit zwei Jahren wird er zum Sozialversicherungsfachangestellten bei der AOK ausgebildet.
Diese arbeiten bei Krankenkassen, Renten- oder Unfallversicherungen. Dort sind sie Ansprechpartner für die Versicherten und helfen etwa bei den Anträgen auf Pflege- oder Krankengeld. „Zu Anfang war ich in kleineren Filialen. Dort kümmert man sich um alles, was den Privatkunden bedrückt“, erzählt Lochen. Ein typisches Problem ist etwa, dass jemand seine Versichertenkarte verloren hat. Später war er beim Firmenkundenservice im Einsatz. Dort prüfte er zum Beispiel, ob Arbeitgeber ihre Angestellten richtig angemeldet und deren Unterlagen vollständig eingereicht haben.
Vor der dreijährigen, dualen Ausbildung müssen Jugendliche sich für eine der fünf angebotenen Fachrichtungen entscheiden: Sie können wie Lochen die Fachrichtung allgemeine Krankenversicherung wählen. Weiter stehen die Fachrichtungen Renten- oder Unfallversicherung sowie landwirtschaftliche oder knappschaftliche Sozialversicherungzur Auswahl.
In allen Fachrichtungen müssen die Azubis Gesetze verstehen und interpretieren können. Logisches und systematisches Denken ist in dem Beruf ein Muss, erläutert die Bundesagentur für Arbeit. „Zu Beginn hatte ich da wirklich Respekt vor. Aber man wird da von den Kollegen und den Lehrern in der Berufsschule gut herangeführt“, sagt Lochen. Doch der Umgang mit Gesetzen ist nicht alles.
Angehende Fachkräfte sollten auch Spaß am persönlichen Umgang mit den Kunden haben. Im Krankheits- oder Pflegefall helfen sie dabei, Leistungen bei der Versicherung zu beantragen. Um angemessen mit persönlichen Schicksalsschlägen umzugehen, ist Einfühlungsvermögen gefragt. Schließlich müssen die angehenden Fachkräfte sorgfältig sein, denn sie prüfen dauernd Fakten. Ein Beispiel aus der Praxis sei etwa, dass eine Frau Krankengeld beantragen will, erzählt Lochen. Anhand der Unterlagen sei aber klar, dass sie Mutterschaftsgeld bezieht. „Das Mutterschaftsgeld setzt den Krankengeldbezug außer Kraft.“ Solche Sachverhalte müssten Azubis erkennen können.
Wer sich für die Ausbildung entscheidet, braucht formal zwar keinen bestimmten Schulabschluss. Doch der Trend geht zum Abitur, sagt Andreas Pieper, Pressesprecher des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). So starteten zum Beispiel 2011 in der Fachrichtung allgemeine Krankenversicherung 2346 Jugendliche und junge Erwachsene in die Ausbildung. Von ihnen hatten 1596 die Hochschulreife und 738 einen Realschulabschluss. André Lochen hat einen Realschulabschluss gemacht und dann eine Berufsoberschule für Wirtschaft besucht.
Der Vorteil der Ausbildung ist, dass sie sehr breit angelegt ist, erklärt Sylvi Krisch von der Gewerkschaft Verdi. Die Fachkräfte studieren neben rechtlichen auch kaufmännische Grundlagen. In der Berufsschule stehen etwa Wirtschaftslehre, Rechnungswesen und EDV auf dem Stundenplan.
Die Vergütung der Auszubildenden variiert laut Krisch zwischen rund 780 und 900 Euro. Das ist auch davon abhängig, ob sich der Arbeitsvertrag an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes anlehnt. Nach der Ausbildung können die Fachkräfte mit einem Bruttogehalt von 2300 bis 2570 Euro pro Monat rechnen. Wer sich nach der Ausbildung weiterqualifizieren möchte, kann etwa Betriebswirtschaftslehre oder Gesundheitsökonomie studieren.
So weit ist Lochen noch nicht. In der Ausbildung gefällt es ihm sehr gut. „Der Umgangston ist respektvoll und die Kollegen nehmen sich Zeit, um einem etwas zu erklären.“ Wenn man ihm zuhört, klingt der Job keineswegs trocken. Wenn ältere Menschen eine schwere Krankheit bekommen und sich dann auch noch um Formalien kümmern müssen, kann Lochen helfen. Das ist für ihn die schöne Seite des Berufs.