Die irren Resultate von Umfragen
Das Ergebnis einer Befragung lässt sich leicht beeinflussen. Oft gibt schon die Fragestellung die Richtung vor.
Mannheim. Der "Steppenwolf" macht sexy. Und jede dritte Frau wird schwach, wenn Männer ein Kochbuch auf dem Nachttisch liegen haben. Genauso viele Männer stehen auf Soldatinnen. Reden diese beim ersten Date über Schuhe oder Sex, ist der Mann aber besser skeptisch: Denn 57 Prozent der Frauen lügen, wenn es um die Anzahl ihrer bisherigen Bettpartner oder den Kaufpreis ihrer Schuhe geht. Umfragen bringen Erstaunliches zutage. Eine ordentliche Portion Skepsis gegenüber solchen Daten ist allerdings angebracht.
Erstaunlich ist zum Beispiel, dass deutsche Männer Island als Traumziel entdeckt haben. Das ist das Land hoch im Norden, in dem es im Winter kaum hell wird und in dem die Sommertemperaturen bei durchschnittlich 10 bis 13 Grad liegen. Trotzdem würde fast jeder vierte Mann für die Liebe nach Island auswandern, ergab eine Umfrage einer isländischen Fluggesellschaft. Finden deutsche Männer Island wirklich so toll? Oder will die Airline sie vor allem dorthin fliegen?
"Sie können so suggestiv fragen, dass Sie jede Antwort bekommen", sagt Prof. Jürgen Hoffmeyer-Zlotnik vom Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Mannheim. Deswegen dürfte zur Antwort nie die Frage fehlen - mitgeliefert wird sie allerdings selten. Eine Frage allein reicht aber nicht. Denn die zuvor gestellten Fragen können die Antworten genauso beeinflussen, erklärt Prof. Walter Krämer vom Institut für Wirtschafts- und Sozialstatistik der Uni Dortmund.
Wer seine These bestätigt haben will, stellt die Fragen besser so, dass ihm ein "Ja" hilft. "Denn Menschen sind lieber für etwas als dagegen", sagt Krämer.
Möglicherweise kam so auch das Ergebnis zustande, dass 91 Prozent der Männer und 80 Prozent der Frauen Swingerclubs reizvoll finden. Zum Thema Sex gibt es kaum ein Thema, das nicht per Umfrage geklärt wird. So haben Akademiker ihr Erstes Mal später als Nicht-Studierte. 46 Prozent der Paare in Deutschland sind mit ihrem Sexleben unzufrieden.
Wer hat wen befragt? Auch das beeinflusst die Antworten. Befragt eine Frau einen Mann zur Sexualität, "wird angegeben, was das Zeug hält", sagt Prof. Krämer. Da Sexualität mit Scham zu tun hat, beruhten viele Daten dazu auf schriftlichen Umfragen, erklärt Prof. Hoffmeyer-Zlotnik. Antworten die Leute dabei aufrichtig? Der Experte spricht von einer "subjektiven Ehrlichkeit" - die Leute glauben also, was sie sagen, auch wenn das nicht den Tatsachen entspricht.
Prof. Krämer ist deutlich skeptischer: "Bei allen Umfragen zu emotional besetzten Themen lügen die Teilnehmer wie gedruckt." Prahlerei ist ein Grund dafür, ein anderer, dass die Leute meinen, so antworten zu müssen, wie es gesellschaftlich erwartet wird. Eine Umfrage aus Großbritannien habe ergeben, dass dort weit mehr verheiratete Frauen lebten als Männer, erzählt Krämer. Der Grund: Die Antworten wurden den jeweiligen Standards von Schicklichkeit beziehungsweise Männlichkeit angepasst.
Ist der Wunsch, gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen, der Grund dafür, dass es jeder zweite Single beeindruckend findet, wenn der Date-Partner beim Warten klassische Werke liest? Möglicherweise resultiert daraus auch, dass die Mehrheit der Männer erklärt, Stress mit Sport (70 Prozent) statt mit Alkohol (30 Prozent) zu bekämpfen.
Soll die Bevölkerung dargestellt werden, wird in der Regel eine Stichprobe gezogen, die alle Bevölkerungsgruppen repräsentiert. Kontaktieren die Interviewer die ausgewählten Personen per Telefon, stehen die Chancen dafür recht gut. "99 Prozent der Leute sind heute per Telefon erreichbar", sagt Krämer.