Einmischen verlangt Mut: Bei Gewalt gegen Kinder nicht wegschauen
Berlin (dpa/tmn) - Ein Kind wird auf dem Spielplatz von den Eltern angebrüllt, beschimpft oder hart angefasst: In solchen Situationen verlangt es viel Mut, sich einzumischen. Trotzdem lohnt es sich, wenn Außenstehende Aufmerksamkeit signalisieren.
Wer mitbekommt, wie Eltern Gewalt gegen ihre Kinder anwenden, sollte eingreifen und nicht wegschauen. „Als Erstes kann man vielleicht die Perspektive des Kindes einnehmen und ruhig zu Mutter oder Vater sagen: "Das wollte Sie bestimmt nicht absichtlich ärgern"“, sagt Cordula Lasner-Tietze. Sie ist stellvertretende Geschäftsführerin beim Deutschen Kinderschutzbund. Im besten Fall hilft das Eltern, in einer stressigen Situation einen Schritt zurückzutreten und ein für sie sehr ärgerliches Ereignis etwas gelassener zu sehen.
Um die Situation abzumildern, können Beobachter auch eigene Erfahrungen einfließen lassen: „Ich war auch schon mal in einer solchen Situation, ich weiß, wie schwer es manchmal fällt, geduldig zu sein.“ Manchmal ergebe sich daraus ein Gespräch: „Den meisten Eltern ist ja bewusst, dass sie sich nicht richtig verhalten, wenn sie zum Beispiel laut werden“, sagt Lasner-Tietze.
Manche könnten ihre Überforderung zugeben, andere reagieren ärgerlich oder aggressiv. „Bekommt man eine schnippische Antwort, sollte man das akzeptieren und nicht persönlich nehmen.“ Um die Situation zu entschärfen, hilft der Hinweis „Es geht mir nicht darum, Sie anzuschwärzen. Ich möchte nur Ihrem Kind helfen.“
Schwierige Situationen ergeben sich auch dann, wenn man immer wieder Zeuge von Schreiereien oder Weinen des Kinds wird - beispielsweise in einem Mietshaus. Wer mutig ist, kann freundlich klingeln und fragen: „Ich habe hier Weinen gehört, gibt es ein Problem?“ Auf keinen Fall sollte man Eltern Vorwürfe machen oder drohen, sagt Rudi Tarneden, Sprecher von Unicef.
Wer nicht einfach klingeln möchte, sich aber Sorgen macht, sollte das Jugendamt informieren. „Problematische Familien sind dort oft schon bekannt“, sagt Tarneden. Die Mitarbeiter können dann beispielsweise aufgrund von Hinweisen einen Familienhelfer vorbeischicken. „Kein Nachbar kann einen Sozialarbeiter ersetzen“, räumt Tarneden ein. Die Tendenz zum Schweigen und Tabuisieren müsse aber durchbrochen werden.
Laut einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Statistik gab es im vergangenen Jahr 4016 Fälle von Kindesmisshandlungen. 13 647 Kinder wurden Opfer von sexuellem Missbrauch. Die Zahlen ergeben sich aus der Kriminalstatistik, die das Bundeskriminalamt (BK) vorgestellt hat.