Eltern-Kind-WG: Als Azubi zu Hause wohnen

Gelnhausen (dpa/tmn) - Das Bündel packen und den elterlichen Hof verlassen: Früher war klar, dass junge Erwachsene mit Beginn einer beruflichen Ausbildung eigene Wege gehen. Heute wechseln sie oft nur die Busstrecke.

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Statt zur Schule, geht es nun in den Betrieb.

Zu Hause bleibt alles beim Alten. Oder nicht? „Das Ende der Schulzeit ist ein guter Zeitpunkt, um über die gemeinsame Lebenssituation zu Hause nachzudenken“, sagt Jörg Schnauer, Familientherapeut aus Gelnhausen bei Frankfurt am Main. Welche Regeln gibt es? Und: Machen die überhaupt noch Sinn? Die Kunst sei es, die richtige Mischung zwischen gegenseitiger Freiheit und Verantwortung zu finden.

Es gibt viele Gründe, nach der Schule noch zu Hause wohnen zu bleiben. „Nach meiner Einschätzung spielen ökonomische Gründe eine sehr wesentliche Rolle, denn die jungen Menschen erhalten während der Ausbildung nur wenig oder gar kein Geld“, sagt Christiane Wempe, Psychologin aus Ludwigshafen am Rhein.

Im Normalfall sollten Azubis mit 16 oder 17 Jahren einige Aufgaben im gemeinsamen Haushalt übernehmen, sagt Susanne Blüthgen, Familiencoach aus Bremen. Ist das bislang noch nicht der Fall, ist spätestens jetzt ein Gespräch wichtig. „Klären Sie Ihre Wünsche und Vorstellungen: Wie soll der Familienalltag organisiert sein?“ Auf einer Liste oder einem Plan könnten die verschiedenen Punkte notiert werden. Wer putzt das Bad? Wer übernimmt die Wäsche? Wer mäht den Rasen? Und wann ist abends die Musik aus?

So gehöre es im Berufsalltag eines Erwachsenen dazu, selbstständig dafür zu sorgen, dass man pünktlich zur Arbeit kommt. Eltern, die bis jetzt immer den Weckdienst übernommen haben, könnten diese Verantwortung spätestens jetzt abgeben. Gleiches gilt für die gemachten Frühstücksbrote oder die gebügelte Kleidung: „Das sind im Grunde alles Dinge, die junge Erwachsene selbst erledigen sollten“, sagt Schnauer. Und wenn es dann ohne Frühstück aus dem Haus geht? In Knitterhemd und ungeputztem Schuh? „Dann müssen Eltern das aushalten, es liegt nicht mehr in ihrer Verantwortung.“

Im Idealfall ist das familiäre Leben wie in einer Wohngemeinschaft geregelt: Jeder hat Aufgaben, man fühlt sich gemeinsam verantwortlich. Für die Jugendlichen entstünde so auch das wertvolle Gefühl, von den Eltern auf Augenhöhe betrachtet zu werden, sagt Blüthgen. Bequemlichkeiten, die sich vielleicht immer wieder einschleichen, müssten dann - so wie es auch in jeder guten WG dazugehört - erneut angesprochen werden. „Sonst müssen Eltern sich nicht wundern, wenn sie irgendwann ein 25-jähriges Kind zu Hause sitzen haben, das sich noch bedienen lässt.“ So gleichberechtigt die Verantwortlichkeiten auch geregelt sind, wie das Leben in Wohnung oder Haus abläuft, liegt in der Entscheidung der Eltern. Laute Musik oder Partys, Kochtreffen mit Freunden, Kinoabend im Wohnzimmer - solche Sachen müssen abgesprochen werden. „Es ist und bleibt der elterliche Haushalt, und die haben das Sagen“, sagt Wempe.

Und wie steht es um das Thema Geld? Immerhin: Mit dem eigenen Ausbildungsgehalt könnten sich die jungen Erwachsenen an den familiären Kosten beteiligen. „Das muss man individuell aushandeln“, sagt Blüthgen. Wenn die Familienkasse knapp ist, können Eltern eine Beteiligung für Miete oder Essen verlangen. „Alternativ können sie auch sagen, dass mit dem Ausbildungsgehalt alle Kosten für Urlaub oder Klamotten abgedeckt werden oder kein Taschengeld mehr bezahlt wird.“