Kinder? Ganz oder gar nicht
Wiesbaden (dpa) - Immer mehr Frauen in Deutschland wollen zwei, drei oder mehr Kinder. 2010 erlebte Deutschland einen Mini-Baby-Boom, die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau wuchs auf den höchsten Wert seit 21 Jahren.
Aber auch die Zahl der Kinderlosen steigt.
Tennis-Legende Steffi Graf (42)und Model Heidi Klum (38) leben den Trend zur Familie mit Geschwisterkindern vor: Immer mehr Mütter in Deutschland bringen zwei, drei oder noch mehr Kinder zur Welt. Zugleich steigt die Zahl der Frauen ohne Nachwuchs. „Die Schere zwischen den kinderlosen Frauen und denen mit mehreren Kindern öffnet sich seit 20 Jahren immer mehr“, sagt der Bielefelder Bevölkerungsforscher Ralf Ulrich. 2010 erlebte Deutschland einen Mini-Baby-Boom. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau wuchs leicht von 1,36 auf 1,39 auf den höchsten Wert seit 21 Jahren.
Nach einer Studie des Zukunftsinstituts von Matthias Horx wollen nur 15 Prozent der Frauen und Männer keine Kinder. Und 54 Prozent der Befragten im Alter zwischen 16 und 35 Jahren wünschen sich zwei Kinder. Daher ist der Geschäftsführer des Instituts, Andreas Steinle, überzeugt: „Die Geburtenquote wird sich langsam nach oben bewegen. Aber das ist ein sehr zäher Prozess.“
In der wirtschaftlich prosperierenden Rhein-Main-Region und in München zumindest deutet sich dieser Trend schon an. Frankfurt, als kalte Business-Stadt und Kriminalitätshochburg verschrien, hat sich zur Familienstadt gemausert. Die Zahl der Geburten ist zwischen 1990 - dem Jahr der Wiedervereinigung - und 2009 nirgendwo so stark gestiegen wie in der Bankenstadt. Das geht aus einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung hervor. Platz zwei unter 412 Städten und Kreisen belegt München.
„Frankfurt bietet gute Berufschancen, deshalb kommen junge Familien“, sagt Steinle. „Und wenn ein Kind da ist, kommt schnell auch das zweite.“ Gut ausgebildete Frauen hätten in solchen Städten bessere Chancen einen passenden Job zu finden und diesen mit der Familie zu vereinbaren.
Auf der anderen Seite war rund jede fünfte Frau im Alter zwischen 40 und 45 Jahren Ende 2009 kinderlos - Tendenz steigend. Nach jüngsten Hochrechnungen wird von den heutigen Frauen um die 30 fast jede Dritte kinderlos bleiben, sagt Ralf Ulrich, Direktor des Instituts für Bevölkerungs- und Gesundheitsforschung an der Universität Bielefeld. „Bildung und beruflicher Erfolg wirken wie ein Verhütungsmittel“, erläutert Steinle. „Erst Karriere und dann Kinder - und dann ist es oft zu spät.“ Von diesem linearen Denken müsse die Gesellschaft Abschied nehmen.
„Das Elterngeld hat jedenfalls keine demografische Wirkung“, ist Ulrich überzeugt - auch wenn im vergangenen Jahr 13 000 Babys mehr auf die Welt kamen als 2009. „Der Anstieg im Jahr 2010 sind die nachgeholten Geburten, die 2009 in der Wirtschafts- und Finanzkrise verschoben wurden.“ Wie stark die Menschen ihren Kinderwunsch in so einer Krise hinauszögern, sei in den USA zu sehen. Seit 2007 - dem Jahr, in dem die Krise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt spürbar wurde - sei die Zahl der Geburten um rund sieben Prozent gesunken.
„Dem Elterngeld liegt eine sehr optimistische einseitige Diagnose der Situation zugrunde“, meint Ulrich. Sie gehe davon aus, dass der Kinderwunsch oft wegen der konkreten wirtschaftlichen Situation eines Paares nicht erfüllt werde. „Das ist zu kurz gegriffen.“ Maßgeblich für die Entscheidung für oder gegen ein Kind seien Faktoren wie Mobilität und eine stabile Partnerschaft, auf die der Staat kaum Einfluss habe.