„Kompetenzen wie gute Manager“: Was Alleinerziehenden hilft

Frankfurt/Main (dpa) - Die Mutter von Nys (9) ist wütend, weil sie sich bei den steigenden Mieten in Frankfurt keine größere Wohnung leisten kann. Der Vater von Levi (11) ärgert sich über die steuerlichen Vorteile für Ehepaare: „wie aus dem Mittelalter“.

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Die Mutter von Miryam (10) empfindet ihren Alltag zwischen Arbeit, Studium, Haushalt und Kind als „eine große Herausforderung“. Nys, Levi und Miryam wachsen bei nur einem Elternteil auf - drei von 22 000 Kindern in Frankfurt, drei von 2,2 Millionen in Deutschland.

Über die unterschiedlichen „Lebenswirklichkeiten Alleinerziehender“ haben am Donnerstag Vertreter von 30 Organisationen beim Frankfurter Familienkongress (7./8. Mai) diskutiert. 20 Prozent aller Eltern, die mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben, waren laut Statistischem Bundesamt 2013 alleinerziehend, Tendenz steigend.

„Die Einelternfamilie ist die einzige Familienform, die wächst“, sagt die Coburger Familienforscherin Veronika Hammer. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt das: Die Zahl der verheirateten Paare mit minderjährigen Kindern sank von 1996 bis 2012 von 9,4 auf 8,0 Millionen - die Zahl der Einelternfamilien wuchs in diesem Zeitraum von 1,3 auf 1,6 Millionen.

Erschreckend: Fast 40 Prozent der Einelternfamilien sind auf staatliche Grundsicherung angewiesen, sie beziehen fünfmal häufiger Hartz IV als Paarfamilien. Dabei arbeiten alleinerziehende Mütter häufiger als verheiratete. 45 Prozent der Alleinerziehenden sind voll berufstätig, aber nur 30 Prozent der verheirateten Mütter. Statistisch steigt das Armutsrisiko, je jünger Alleinerziehende sind, je schlechter sie ausgebildet sind und je mehr Kinder sie haben.

Die Gesellschaft habe diese Lebensform anerkannt, die Politik müsse sie aber stärker unterstützen, fordert Soziologin Hammer. „Was Alleinerziehende brauchen, ist auch für die Steigerung der Lebensqualität in Deutschland nützlich und wertvoll.“ Nötig seien familienfreundliche Arbeitszeitmodelle, ein an Kindern orientiertes Steuersystem, eine verlässliche und qualifizierte Betreuung sowie rigorosere Regeln bei der Einforderung von Unterhalt.

Die Wissenschaft sei dabei umzudenken, sagt die Professorin: Nach dem Blick auf die Defizite rückten die Stärken dieser Familienform in den Fokus. Viele Alleinerziehende empfänden sich als belastbar, flexibel, gut organisiert, krisensicher und gut vernetzt - „Kompetenzen, wie man sie auch von Managern erwartet“.

Monika Czernin hat vor zehn Jahren mit Remo Largo ein Buch über „ Glückliche Scheidungskinder“ geschrieben. „Damals war der Titel eine Provokation“, sagt die Autorin, „heute ist er Programm“.

„Nicht die Familienform entscheidet, ob Kinder glücklich aufwachsen, sondern wie die Eltern mit ihnen umgehen“, glaubt Czernin. Ideal sei, wenn beide Elternteile sich weiter an der Erziehung beteiligten. Aber nur 50 bis 60 Prozent der geschiedenen Väter hielten dauerhaft und regelmäßig Kontakt. „Die Partnerschaft kann enden, die Elternschaft nicht - das müsste noch stärker in die Köpfe hinein“, sagt Czernin.

Am Mittag schwärmten die Tagungsteilnehmer zu Exkursionen aus: zum Familiengericht, einem Veranstalter von Mütter-Kind-Kuren oder ins Waisenhaus. Am Nachmittag setzten sie sich zu Diskussions-Foren zusammen: über die rechtliche Lage Geschiedener, die Situation getrennter Väter oder die Altersvorsorge für Alleinerziehende.

Ihre Erfahrungen: Manche kommen super klar, andere sind schier verzweifelt. Auf der einen Seite die Debatte um #regretmotherhood, auf der anderen die Plakate einer Image-Kampagne: „Alleinerziehende retten jeden Tag die Welt“. Czernin glaubt, dass der Unterschied nicht nur in den finanziellen Verhältnissen liegt. Ihre These: „Wer ein großes Netzwerk hat, kann die Herausforderungen besser meistern.“

Passend dazu wurde beim Familienkongress ein „ Frankfurter Alleinerziehenden Netzwerk“ aus der Taufe gehoben. Was es konkret bringt, wird sich zeigen. Auf dem Kongress gab es schon mal Vorschusslorbeeren für die Initiative, die zumindest auf dem Papier das erfüllt, was Experten wie Hammer und Czernin fordern: Die Politik muss kinderfreundlicher werden. Und die Gesellschaft solidarischer.