Kürzer und früher: Wie G8 den Schüleraustausch verändert hat

Frankfurt am Main (dpa/tmn) - Rund 19 000 deutsche Schüler haben im vergangenen Jahr eine Schule im Ausland besucht. Trotz ungebrochener Freude sind die Aufenthalte seit des verkürzten Abiturs kürzer geworden - und viele Familien suchen gezielter nach passenden Schulen.

Peer sitzt auf gepackten Koffern. Voller Erwartung fiebert der 15-jährige Frankfurter seinem Abflug in die USA entgegen. Ein halbes Jahr wird er dort in einer Gastfamilie leben und zur High School gehen. „Wenn's gut läuft, würde ich eigentlich am liebsten ein ganzes Schuljahr dort verbringen“, meint der Gymnasiast, der gerade die neunte Klasse abgeschlossen hat und jetzt im Zuge von G8 in die Oberstufe kommt.

So wie Peer machen es viele austauschfreudige Jugendliche in Deutschland. Sie ziehen im achtjährigen Gymnasium einen etwas kürzeren Aufenthalt im Ausland vor, berichtet Ines Held vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus. „Manch ein Schüler, der früher ein Jahr in eine fremde Kultur eingetaucht wäre, tut dies nun lieber für drei bis sechs Monate.“

Ein Grund hierfür könnte eine weitere Veränderung sein, die G8 dem internationalen Austausch gebracht hat: Die Teilnehmer sind jünger. Denn der größte Teil derer, die ins meist englischsprachige Ausland ziehen, sind dem unabhängigen Bildungsberatungsdienst Weltweiser zufolge Gymnasiasten. „Früher legten sie ihren Aufenthalt in die elfte Klasse, heute in die zehnte - denn die frühere elfte zählt nun bereits zur Qualifikationsphase für das Abitur“, erklärt Weltweiser-Inhaber Thomas Terbeck.

Darüber hinaus haben viele Austauschorganisationen auf die Sorgen von G8-Familien mit individuelleren, nicht zuletzt auch teureren Wahlprogrammen reagiert, berichtet Terbeck. „Wer daran teilnimmt, kann teilweise sogar die Schule direkt auswählen und das Fächerangebot auf die eigenen Bedürfnisse und Interessen abstimmen.“

Trotz verkürzter Angebote und Wahlprogramme habe sich das Verhältnis von Überspringern zu Wiederholern inzwischen umgekehrt, sagt Terbeck. „Vor G8 sind weit mehr als die Hälfte der Schüler, die ein Auslandsjahr gemacht haben, anschließend in ihre alte Jahrgangsstufe zurückgekehrt. Heute steigt die Mehrheit einen Jahrgang darunter wieder ein.“

Das bestätigt auch Uta Julia Schüler, Repräsentantin des Arbeitskreises gemeinnütziger Jugendaustauschorganisationen (AJA) in Berlin. „Wir beobachten, dass immer mehr junge Leute durch das Auslandsjahr nicht nur ihr Leben bereichern, sondern auf diesem Weg auch ganz bewusst ihr persönliches G9 realisieren.“

Momentan liegt der Anteil von Jugendlichen, die eine Schule im Ausland besuchen, laut einer aktuellen Weltweiser-Studie bei rund 2,8 Prozent eines Jahrgangs - zwei Drittel davon Mädchen. „Die Tendenz steigt, trotz verkürzter Gymnasialzeit“, sagt Terbeck. Nicht zuletzt durch PISA und andere internationale Bildungsstudien seien gerade wohlhabende Mittelschichteltern stärker motiviert, für die Bildung ihres Kindes viel Geld in die Hand zu nehmen.

Ob die Investition Auslandsjahr letztlich die Gesamtschulzeit verlängert oder nicht, wird in zwei oder drei Jahren keine so große Rolle mehr spielen, schätzt AJA-Repräsentantin Schüler. „Bei den ersten G8-Jahrgängen war die Panik noch groß, inzwischen hat sich das alles ganz gut eingespielt.“