Nicht mehr hilflos: Kurse für pflegende Angehörige

Lünen (dpa/tmn) - Wird ein Familienmitglied zum Pflegefall, tun sich etliche Probleme auf. Wer soll sich jetzt kümmern? Die meisten pflegen die Ehefrau, den Ehemann oder die Eltern zu Hause. Oft sind sie damit total überfordert.

Pflegekurse für Angehörige können helfen.

Noch ist ihr Mann nicht pflegebedürftig. „Aber das kann auf mich zukommen“, sagt Eleonore Köth-Feige. Die 78-Jährige aus Lünen weiß aus ihrem Bekanntenkreis, was das bedeutet. „Viele arbeiten an der Belastbarkeitsgrenze.“ Damit es ihr nicht irgendwann genauso ergeht, will die Seniorin vorbereitet sein. Sie hat einen Kurs für pflegende Angehörige besucht. Solche Angebote gibt es bundesweit bei karitativen Einrichtungen wie Diakonie, Caritas oder AWO, bezahlt werden sie von der Pflegekasse.

Mehr als zwei Drittel aller Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt. Das geht aus den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts aus dem Dezember 2009 hervor. Von den 1,6 Millionen Pflegebedürftigen erhielten knapp 1,1 Millionen ausschließlich Pflegegeld - sie werden in der Regel allein durch ihre Angehörigen gepflegt. „Leider nehmen nur wenige die Pflegekurse in Anspruch“, sagt Silke Niewohner von der Landesstelle Pflegende Angehörige in Münster. Der Anteil liege bei weniger als zehn Prozent.

Eleonore Köth-Feige war in einem Kurs des Caritasverbands. „Wir haben ganz praktische Dinge gelernt: Wie sieht die Haut aus? Wie ist die Atmung und die Körpertemperatur? Und vor allem: Wie und mit welchen Geräten kann ich das richtig kontrollieren?“ Die Teilnehmer lernen auch, sich bei der Pflege selbst zu schützen. Viele Angehörige haben irgendwann einen Rückenschaden.

Rückenschonendes Arbeiten, Waschen und Füttern, Puls- und Blutdruckmessung, das Verhindern von Thrombosen, die richtige Ernährung, das Deuten von Schmerzen - all das vermittelt auch Angelika Conradi. „Meine Teilnehmer sollen keine Ärzte werden“, sagt die 49-jährige Kursleiterin. „Aber das gehört alles zur Pflege dazu.“ Früher arbeitete sie als Altenpflegerin, heute gibt sie ehrenamtlich Pflegekurse auf der Sozialstation des Deutschen Roten Kreuzes in Rudolstadt in Thüringen.

Es sind nicht nur die Handgriffe und das Hintergrundwissen, das die Angehörigen aus den Kursen mitnehmen. Sie sollen auch mit den bürokratischen Fallstricken des Gesundheitssystems besser umgehen können. „Die meisten pflegen schon jemanden, aber sie sind nicht informiert“, berichtet Conradi. Sie wissen nicht, welche Leistungen die Pflegeversicherung abdeckt und welche Hilfe ihnen zusteht. „Viele sind hilflos.“

Angehörige scheitern oft an den Behörden. Und sie hätten Angst, Widerspruch einzulegen, wenn zum Beispiel ihr Antrag auf Pflegegeld abgelehnt wird, sagt Conradi. „Manche sagen später zu mir: Ich habe gelernt zu kämpfen.“ Ein Pflegekurs sei vor allem sinnvoll, bevor ein Angehöriger zum Pflegefall wird. „Wenn ich keine Ahnung habe, muss ich akzeptieren, was die Gesellschaft mir anbietet“, sagt Eleonore Köth-Feige.

„Auch der Austausch untereinander hilft ganz viel, er ist unwahrscheinlich wichtig“, bestätigt Conradi. Der Bedarf ist da - die Zahl der Pflegebedürftigen steigt: Laut Statistischem Bundesamt von 1999 bis 2009 um 16 Prozent auf 2,34 Millionen. Was das Wichtigste an den Kursen ist? „Sie vermitteln ein Gefühl von Mitmenschlichkeit“, antwortet Angelika Conradi.