Papa muss ins Heim - Kinder sollten auch an sich denken

Berlin (dpa/tmn) - Der Umzug in ein Heim ist für die meisten Senioren ein schwerer Schritt. Auch den Angehörigen fällt er nicht leicht. Trotz aller Rücksichtnahme: Manchmal ist die Fremdbetreuung der Eltern der einzige Weg, um sich selbst besser zu fühlen.

Mehr als 50 Jahre hat die 86 Jahre alte Dame in ihrer Wohnung in Krefeld gelebt. Sie war es gewohnt, für sich allein zu sorgen. Doch dann bemerkt ihre Tochter den leeren Kühlschrank. Die Nachbarin erzählt, die Mutter sei oft allein. Als die Tochter ihre Mutter darauf anspricht, blockt diese ab. Für Kinder ist es eine schwierige Situation, wenn Eltern zu Hause nicht mehr zurechtkommen. Noch schwieriger ist es, dies rechtzeitig zu erkennen.

Zeichen, dass ältere Menschen mit ihrem Alltag überfordert sind, gebe es viele, sagt Christoph Finkeldey von der Caritas Aachen. „Es geht schleichend: Die Post wird nicht mehr gelesen. Das Obst verschimmelt im Kühlschrank, die Person nutzt nur noch die zwei oder drei Teller in Reichweite und geht nicht mehr an den Geschirrschrank.“ Kritisch sei auch, wenn sich Senioren isolierten, nicht mehr vor die Tür gingen oder Treffen absagten, weil sie ihnen zu aufwendig erschienen.

„In der Regel ist der Verwandte offen für ein Gespräch über seine Situation“, sagt Christiane Lehmacher-Dubberke von der Diakonie Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz. Wohnten die Kinder weiter weg, könnten sie Nachbarn und Freunde ihrer Eltern nach deren Einschätzung fragen. Zeichne sich ab, dass Mutter oder Vater Hilfe bräuchten, sei der Umzug in ein Pflegeheim nicht unbedingt der erste Schritt. Um herauszufinden, welche Alternativen in Betracht kommen, sollten sich Angehörige in jedem Fall Hilfe von außen holen. „Denn viele Angebote kennt der Einzelne nicht“, sagt Lehmacher-Dubberke.

Für eine Beratung könne man sich an einen der bundesweit ansässigen Pflegestützpunkte wenden. Der Hausarzt könne zur Einschätzung der körperlichen Fitness des Senioren hinzugezogen werden, ein Neurologe bei Anzeichen von Demenz.

Wichtig sei, bei den Senioren Bedenken abzubauen. Etwa wenn es um einen ambulanten Pflegedienst gehe: „Da ist ja erstmal die Angst, dass da fremde Leute in die Wohnung kommen“, sagt Lehmacher-Dubberke. Auch hier könnten Freunde und Verwandte mithelfen, Ängste vor der Veränderung zu reduzieren.

Die Situation sei für alle Seiten nicht einfach, sagt Ursula Lenz, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO). „Das erfordert viel Einfühlungsvermögen.“ Vergrabe sich jemand nur noch in seiner Wohnung und der Pflegedienst sei der einzige Kontakt, sei das ein Punkt, an dem der Umzug in ein Heim fällig werde.

Generell sei es natürlich sinnvoller, umzuziehen, solange man noch mobil sei. Denn das mache die Eingewöhnung ins Heim leichter. Aber die wenigsten Menschen seien von der Aussicht begeistert, Hilfe annehmen zu müssen. „Ich habe da viele Dramen erlebt, wo die Menschen einfach nicht wollten“, sagt Lenz.

Die Kinder sollten deutlich machen, dass ein Leben im Heim mit einer Rundumversorgung besser sei. Am besten schaue man sich mit den Eltern gemeinsam mehrere Einrichtungen an: „Manchmal ist sogar ein Probewohnen möglich. Das kann einen positiven Effekt haben, wenn die Menschen sehen, hier ist eine Bücherei, die habe ich zu Hause nicht. Und ich habe keinen, mit dem ich Canasta spielen kann.“

Auch Finkeldey empfiehlt Kindern, sich mehrere Heime anzugucken. „Tauchen Sie unangemeldet sonntags um elf Uhr auf, nehmen sie jemanden mit, mit dem Sie darüber reden können.“ Empfange einen das Personal freundlich und sehe man, dass die Senioren überall selb

stständig hinein- und hinausgehen könnten, seien das gute Signale. Informationen und Checklisten zu Pflegeheimen und Betreutem Wohnen finden Interessierte auf den Seiten der BAGSO.

Bleibe ein älterer Mensch uneinsichtig, dann helfe manchmal nur, die Entscheidung für ihn zu treffen, sagt Finkeldey. „Ich habe oft weinende Angehörige am Telefon, gute Worte bringen bei den Eltern überhaupt nichts.“

Lenz rät, Mutter oder Vater auch deutlich zu machen, wie sehr einen die Situation belaste. Eltern hätten ein Recht darauf, dass es ihnen gutgehe - die Kinder aber auch. „Du bist doch so bemüht, dass es mir gutgeht, aber mir geht es schlecht, wenn ich das Gefühl habe, du bist unterversorgt“, sei die Botschaft, die die Eltern begreifen müssten.