Tabuthema Samenspende: Noch immer rechtliche Grauzonen
Erlangen (dpa) - In Deutschland leben mehr als 100 000 Menschen, die durch eine Samenspende gezeugt wurden. Trotzdem ist das Thema noch immer oft ein Tabu. Folge: Viele Kinder wissen nichts von ihrer Herkunft.
Und auch juristisch ist nicht alles wasserdicht geregelt.
Mit 18 Jahren erfuhr Sarah P., dass ihr Vater nicht ihr genetischer Vater ist - sie wurde mit Hilfe einer Samenspende gezeugt. Damit begann für sie eine lange Suche. Sarah zog sogar vor Gericht und erstritt in einem wegweisenden Urteil die Herausgabe der Spenderdaten. Inzwischen hat die 22-Jährige auf verschlungenen Wegen jenen Mann kennengelernt, der ihren Eltern damals die Familiengründung ermöglichte. Und fordert als Vorstandsmitglied des Vereins „Spenderkinder“ vehement: „Die Kinder müssen aufgeklärt werden, sobald die ersten Fragen kommen.“
„Es ist wichtig, dass die Kinder frühzeitig aufgeklärt werden“, betont die Familientherapeutin Petra Thorn vom Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland. „Es kann sonst zu einem Identitätsbruch kommen.“
Das konnte Sarah bei vielen Spenderkindern in ihrem Verein beobachten, die so wie sie selbst erst spät von ihrer Herkunft erfahren hatten. „Das war für viele ein Weltzusammenbruch.“ Auch sie selbst sei damals schwer getroffen gewesen. Warum hatten ihr die Eltern nicht genug vertraut, um ihr früher von der Samenspende zu erzählen? „Aber ich habe immer mehr verstanden, dass sie mich wirklich gewünscht haben. Heute schätze ich meinen Vater noch mehr, weil er mich liebt, obwohl ich nicht seine leibliche Tochter bin.“
Lange Zeit galt eine Samenspende als absolutes Tabuthema; viele - inzwischen längst erwachsene - Kinder wissen bis heute nichts von ihrer ungewöhnlichen Herkunft. Heutzutage raten Psychologen, den Kindern möglichst früh davon zu erzählen. Wachsen die Kleinen von Anfang an im Wissen darum auf, haben sie keine Probleme, dieses Wissen in ihre Identität zu integrieren, wie Thorn erläutert.
Das bestätigt auch Lisa Green vom Lesben- und Schwulenverband Deutschlands. Schließlich werde den Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern die Realität unmittelbar vor Augen geführt. Zugleich wüssten sie, dass ihre Eltern viel Mühe auf sich genommen haben, um das innig ersehnte Kind zu bekommen. „Das spüren sie jeden Tag.“
Doch gerade homosexuelle Paare leiden unter der juristischen Grauzone, die die Samenspende in Deutschland umgibt. Es ist zwar gesetzlich geregelt, dass ein Mann und eine Frau, die in eine Behandlung einwilligen, rechtlich automatisch die Eltern des gezeugten Kindes sind. Bei Lesben hingegen muss die nicht austragende Mutter die Elternschaft erst im Rahmen eines aufwendigen Stiefkind-Adoptionsverfahren anerkannt bekommen.
Das ist jedoch nicht die einzige Gesetzeslücke. Denn auch wenn Eltern verschiedenen Geschlechts nach einer Samenspende ihre Elternschaft juristisch nicht anfechten können - das Kind kann dies theoretisch sehr wohl. „Samenspender sind rechtlich nach wie vor nicht vollständig vor Erbansprüchen und Unterhaltszahlungen geschützt“, betont Andreas Hammel vom Arbeitskreis Donogene Insemination. Denkbar sei etwa, dass ein Kind die Elternschaft seines Vaters anfechte, um zur Finanzierung eines Studiums an den Samenspender herantreten zu können.
Allerdings sei dies in Deutschland noch nicht vorgekommen, betont Hammel - auch wenn hierzulande nach groben Schätzungen bereits 100 000 bis 120 000 Kinder mit Samenspenden gezeugt wurden. Dennoch fordern die verschiedenen Interessengruppen des Erlanger Symposiums eine Regelung analog zur Adoption, wo eine Anfechtung der Elternschaft durch die adoptierten Kinder ausgeschlossen ist.
Auch Frank Alpisch würde dies sehr begrüßen. Der 27-Jährige hat inzwischen per Samenspende sieben Kinder gezeugt - als Vater sieht er sich aber definitiv nicht. „Ich ziehe sie nicht auf, ich sorge nicht für sie, ich liebe sie nicht - das macht alles der jeweilige Papa.“
Trotzdem freut er sich darauf, dass die Kinder ihn eines Tages vielleicht kontaktieren werden. „Es ist in meinen Augen das größte Gut, Leben schenken zu können“, sagt der gelernte Bäcker. „Das ist ein kleines, schönes, warmes Gefühl, das mich tagtäglich begleitet. Man kann sich das so vorstellen wie ein entfernter Cousin, den man nie sieht: Von dem weiß man nichts - aber er ist da.“