Die Angst der Verbraucher vor dem Euro
Frankfurt/Main (dpa) - Die Konjunktur boomt - doch der Aufschwung reißt viele Menschen nicht mit. Im Gegenteil: Steigende Preise, Inflationsangst und die Euro-Schuldenkrise dämpfen die Konsumlaune. Ist das Misstrauen gerechtfertigt?
Frankfurt/Main (dpa) - Die Konjunktur boomt - doch der Aufschwung reißt viele Menschen nicht mit. Im Gegenteil: Steigende Preise, Inflationsangst und die Euro-Schuldenkrise dämpfen die Konsumlaune. Ist das Misstrauen gerechtfertigt?
Ist unser Geld noch sicher?
„58 Prozent der Deutschen misstrauen dem Euro“ - so war kürzlich in der „Bild am Sonntag“ zu lesen. Meinungsforscher fanden heraus: Das Vertrauen der Mehrheit in die Gemeinschaftswährung sei „sehr gering“ oder „eher gering“. Im Vergleich zum Dezember wurde die Gruppe der Euro-Skeptiker noch größer. Die Diskussion um die Überlebensfähigkeit einiger Euroländer und die Zukunft der Währung flammte wieder auf, die Preise vor allem für Sprit zogen an. Im April lag die Jahresteuerung in Deutschland bei 2,4 Prozent - und damit zum dritten Mal in Folge über der als kritisch geltenden Zwei-Prozent-Marke.
War die D-Mark eine härtere Währung?
Nein. Das Misstrauen gegenüber dem Euro wurmt Europas obersten Währungshüter Jean-Claude Trichet gewaltig. Immer wieder betont er die Härte des Euro: „Heute herrscht eine höhere Preisstabilität als zu Zeiten der D-Mark. In den vergangenen zwölf Jahren betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate im Euro-Währungsgebiet 1,97 Prozent, in Deutschland sogar nur 1,5 Prozent.“
Wie groß ist die Gefahr, dass die Pleitekandidaten den Euro in den Abgrund reißen und deutsche Steuerzahler die Zeche zahlen?
Die ausufernden Staatsschulden stürzten die Währungsunion in ihre schwerste Krise. Auch Länder wie Deutschland schieben riesige Schuldenberge vor sich her. Mit der Milliardenhilfe für Griechenland und Co. ist Europa faktisch eine Transferunion: Die reichen Länder zahlen für die armen. Ex-Finanzminister Theo Waigel (CSU) verglich die Lage mit einem blinden Passagier: „Der hätte nie an Bord gelangen dürfen, wie die Griechen nicht in die Euro-Zone.“ Doch 2001 bekamen die Griechen Zutritt zum Euro-Club - mit gefälschten Budgetzahlen, wie sich herausstellte. Ein Euro-Austritt Griechenlands ist weder rechtlich möglich noch technisch in ordentlicher Frist durchführbar. Die Hilfe ist somit ohne Alternative, Deutschland müsse dem blinden Passagier „aber auch keine Luxuskabine auf unsere Kosten finanzieren“, meint Waigel.
Warum werfen wir die Griechen nicht einfach aus der Währungsunion?
Ein Rausschmiss hätte unabsehbare Folgen - auch für Deutschland. Experten warnen vor mindestens ebenso großen Verwerfungen wie nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008. Deutsche Banken und Versicherer sind mit Milliarden in Griechenland engagiert, die könnten sie dann wohl endgültig abschreiben. Athen bekäme zwar die Drachme wieder und könnte diese abwerten, um die eigen Wirtschaft anzukurbeln. Doch seine Euro-Schulden würden sich so dramatisch verteuern. Das vielleicht schlimmste Szenario: Wie Dominosteine könnten Wackelkandidaten umfallen, weil der Markt gegen sie wettet. Das brächte die gesamte Währungsunion in Gefahr, von der vor allem die deutsche Wirtschaft als Exportnation profitiert.
Was kostet uns die Rettung des Euro?
Allein für Griechenland wurde ein Hilfspaket über 110 Milliarden Euro beschlossen, weitere Milliardenstützen scheinen unausweichlich. Hinzu kommen beschlossene Hilfen für Irland und Portugal. Im Sommer 2013 kommt der dauerhafte Euro-Hilfsfonds mit 700 Milliarden Euro. Deutschland springt nicht mehr nur als Bürge ein. Berlin muss rund 21,7 Milliarden Euro Bareinlagen beisteuern und rund 168,3 Milliarden Euro an Garantien. Im Extremfall kann der Bundeshaushalt also mit rund 190 Milliarden Euro belastet werden - das wären 2317 Euro pro Kopf.
Ist das alles?
Nein, denn es gibt auch indirekte Folgen: Die Verschärfung der europäischen Schuldenkrise mit drohenden Milliardenzahlungen aus der Bundeskasse kann Verbraucher verunsichern und die Kauflust trüben. „Viele fürchten, dass der Staat deshalb seine Leistungen für die Bürger zurückschraubt und zugleich auf Steuersenkungen verzichtet“, sagt der GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl.
Was würde es kosten, wenn wir die Schuldner sich selbst überließen?
Wahrscheinlich noch deutlich mehr. In diese Zwickmühle hat sich Europa - angeführt von Deutschland und Frankreich - mit seinem zahnlosen Stabilitätspakt manövriert: Ohne die Solidarität der Partner ginge Griechenland schon im Juli pleite. Es steht zu befürchten, dass Anleger über Nacht ihr Geld von griechischen Banken abziehen und sie in die Pleite treiben. Davon wären auch deutsche Banken betroffen und in der Folge auch hiesige Anleger. Ökonom Holger Schmieding warnt, bezahle Deutschland nicht, könnte die Finanzkrise wieder aufflammen. Das könnte „so stark auf die Stimmung schlagen, dass die Unternehmen in Deutschland aufhören, zu investieren und Mitarbeiter einzustellen“.