Rente mit 67: Startschuss fällt am 1. Januar
Berlin (dpa) - Für die Befürworter ist sie ein unverzichtbarer Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Für die Kritiker ein groß angelegtes Renten-Kürzungsprogramm. Die Rede ist von der Rente mit 67. Am 1. Januar beginnt der Einstieg.
Knapp fünf Jahre nach dem Beschluss des Bundestages geht's jetzt richtig los: Mit dem Neujahrstag 2012 beginnt der erste Schritt zur Anhebung des gesetzlichen Rentenalters von derzeit 65 auf 67 Jahre. Im Jahr 2029 ist der Prozess abgeschlossen. Dann gibt's die Rente ohne Abschläge im Regelfall nur noch mit 67 Jahren. Nachfolgend ein Überblick über die Fakten sowie über Argumente und Gegenargumente.
Wie sieht der Stufenplan zur Rente mit 67 aus?
Das Regelalter für die abschlagsfreie Rente steigt von derzeit 65 Jahren anfangs in Schritten von einem Monat, in der zweiten Phase in Zwei-Monats-Schritten. 2029 ist die Anhebung auf 67 Jahre erreicht. Die erste Anhebung um einen Monat im nächsten Jahr trifft den Geburtsjahrgang 1947. Jene also, die im Laufe der kommenden zwölf Monate 65 werden. Der erste Jahrgang, der für die volle Rente bis 67 arbeiten muss, ist der Geburtsjahrgang 1964. Das sind die Frauen und Männer im Alter von heute 47 Jahren oder jünger.
Warum wurde die Rente mit 67 beschlossen?
Aus demografischen Gründen: Weil die Bundesbürger immer länger leben und daher immer länger Rente beziehen. Und weil zugleich die Zahl der Beitragszahler schrumpft. Die Rente mit 67 soll hier für neue Balance sorgen.
Mit welcher demografischen Entwicklung ist zu rechnen?
Bis zum Jahr 2030 wird sich der Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland weiter deutlich verändern. Die Altersgruppe der 20- bis 64-Jährigen - das sind die Erwerbsfähigen - schrumpft nach den Prognosen um fünf Millionen auf dann rund 45 Millionen. Im selben Zeitraum nimmt die Zahl der Menschen über 65 um gut 6 auf 22 Millionen zu. Mit anderen Worten: Kamen vor 20 Jahren noch vier Erwerbsfähige auf einen Rentner, so wird sich das Verhältnis im Jahr 2030 voraussichtlich auf 2:1 verschlechtern.
Wie hat sich die Rentenbezugsdauer entwickelt?
Sie hat sich in den vergangenen 40 Jahren deutlich erhöht: Ein durchschnittlicher West-Ruheständler bezog 1970 noch 11,1 Jahre Rente. 2010 waren es bereits 18,4 Jahre. Im Osten Deutschlands nahm die Rentenbezugsdauer im Schnitt zwischen 1995 und 2010 von 16 auf 18,9 Jahre zu (frühere Zahlen für Ostdeutschland liegen nicht vor).
Was soll die Rente mit 67 finanziell bewirken?
Sie soll die Rentenkassen langfristig entlasten, den Anstieg des Beitragssatzes abmildern und damit die Rentenversicherung zukunftsfest machen. Weil es Ausnahmen für Versicherte mit mindestens 45 Beitragsjahren gibt (sie können weiterhin mit 65 ohne Abschläge in Rente gehen), ist aber nur eine bescheidene Entlastung zu erwarten: Experten gehen davon aus, dass die Rente mit 67 die Beitragszahler 2030 um 0,5 Prozentpunkte jährlich - nach heutigen Werten sind das etwa 5,5 Milliarden Euro - entlasten kann. Bis dahin ist ein Beitragssatzanstieg auf maximal 22 Prozent (2012: 19,6 Prozent) einkalkuliert.
Was soll die Rente mit 67 am Arbeitsmarkt bewirken?
Sie soll beim Kampf gegen den Arbeitskräftemangel mithelfen, indem sie Beschäftigte bis zu zwei Jahre länger im Berufsleben hält. Damit will die Bundesregierung „Wirtschaftswachstum und Wohlstand in einer alternden Gesellschaft sichern“.
Ist die Rente mit 67 ein Rentenkürzungsprogramm?
Die Kritiker sagen: „Ja“ - und verweisen darauf, dass schon heute die Mehrzahl der Beschäftigten mit Abschlägen in Rente gehen. 2010 waren das immerhin knapp 58 Prozent aller Neurentner. Aus Arbeitslosigkeit kamen zuletzt 16 Prozent.
Wie ist das mit den Renten-Abschlägen?
Für jeden Monat, den man vor der Regelaltersgrenze in Rente geht, werden vom Rentenanspruch 0,3 Prozent abgezogen, und zwar lebenslang. Ein Beispiel: Wer 1955 auf die Welt kam, der kann 2020 erst mit 65 Jahren und 9 Monaten ohne Abschläge in Rente gehen. Ein vorzeitiger Rentenbezug mit 63 Jahren - also 33 Monate vor der Regelaltersgrenze - führt zu einer Rentenkürzung von 9,9 Prozent (33 x 0,3 Prozent).
Ist das ein Problem?
Es kann eines werden, vor allem für Ältere, die arbeitslos sind. Für sie verlängert sich mit der Anhebung des Rentenalters die Zeit der Erwerbslosigkeit vor der Rente - mit entsprechend höheren Rentenabschlägen. Es droht dann mehr Altersarmut. Vermeiden lässt sich das am besten durch mehr Beschäftigung. Ein Problem sind die Rentenabschläge in jedem Fall für jene, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nicht mehr voll arbeiten können und deswegen vorzeitig Erwerbsminderungsrenten bekommen. Sofern sie jünger als 63 sind, müssen sie schon jetzt Abschläge auf ihre Rente von bis zu 10,8 Prozent hinnehmen.