Auf psychisch kranke Senioren besser vorbereiten

Rostock (dpa) - Die Menschen werden immer älter. Viel diskutiert wird dabei über die Zunahme von Tumorerkrankungen oder des Bewegungsapparates. Psychische Probleme spielen in der Diskussion noch eine untergeordnete Rolle.

Sie nehmen aber zu.

Die Gesellschaft ist nach Ansicht von Experten noch nicht genügend auf die wachsende Zahl psychiatrischer Erkrankungen von Senioren vorbereitet. „Es gibt zu wenig Mediziner mit der nötigen Spezialausbildung“, sagte der Diplom-Pädagoge der Rostocker Gesellschaft für Gesundheit und Pädagogik (GGP), Claas Pätow. Schätzungen zufolge leiden rund 30 Prozent aller Senioren unter psychischen Erkrankungen, nur ein sehr geringer Teil von ihnen werde angemessen behandelt.

Es sei bekannt, dass psychiatrische Erkrankungen zu einem der größten Probleme in den Industriegesellschaften geworden sind. Dabei seien die Grunderkrankungen von Senioren die gleichen wie bei Jüngeren, es handele sich um Angstzustände oder Depressionen. „Krankheitsschübe werden beispielsweise durch die in diesem Alter vermehrten Trauerfälle oder auch den Abbau der körperlichen Leistungsfähigkeit ausgelöst“, sagte Pätow.

Er forderte, dass die Fachaus- und -weiterbildung von Medizinern und Psychologen in der Behandlung von psychisch kranken Senioren verstärkt werde. Auch müsse der ambulante und der teilstationäre Bereich der Therapie gestärkt werden. Die stationäre Behandlung von Senioren müsse die letzte Möglichkeit bleiben. „Alte und psychisch kranke Menschen dürfen nicht in Heime abgeschoben werden“, sagte Pätow.

Schon bei jüngeren Patienten gebe es lange Wartezeiten, um einen Termin beim Psychiater oder Psychotherapeuten zu bekommen. Bei Senioren verschärfe sich das Problem immens. „Sie bleiben mit ihren Problemen beim Hausarzt oder Internisten“, sagte Pätow. Deren Therapie beschränke sich oft auf das Verschreiben von Medikamenten. „So werden bei körperlichen Krankheiten, deren Ursachen im psychischen Bereich liegen, nur die Symptome behandelt.“

Zusätzlich gebe es das Problem, dass Senioren relativ viele Arzneien einnehmen. „Dann ist die Hemmschwelle niedrig, noch weitere Medikamente einzunehmen mit möglicherweise weiteren Neben- und Wechselwirkungen“, sagte Pätow. Die fehlende fachliche Behandlung könne als Folge auch ein verstärktes Alkoholproblem hervorrufen.