Berlin oder Schwaben - Woher kommt der deutsche Döner?
Ulm (dpa) - Die deutsche Geschichte des „Döner Kebab“ ist offenbar älter als gedacht. Nevzat Salim hat das mit Grillfleisch gefüllte Brot bereits 1969 im baden-württembergischen Reutlingen verkauft.
Das dürfte den Berlinern gar nicht schmecken.
Er ist nicht nur integriert, sondern schon assimiliert: Der Döner Kebab gehört zur deutschen Fastfood-Landschaft wie Currywurst und Hamburger. Gastarbeiter aus der Türkei brachten ihn mit, wandelten ihn ein wenig ab und schufen so einen Verkaufsschlager. In der Türkei liegt das Grillfleisch vom Spieß auf dem Teller, hier geht er im Fladenbrot über die Theke. Bisher galt Berlin als Heimat des deutschen Döners. Doch jetzt meldet sich Konkurrenz aus der Provinz: Der Schwabe Nevzat Salim will bereits 1969 den ersten Döner auf deutschem Boden verkauft haben - im baden-württembergischen Reutlingen.
„Unseren ersten Döner-Stand hatten wir damals auf dem Marktplatz“, erzählt der 59-jährige Salim, der heute nahe Ulm lebt. Er stammt aus Bursa, eine der Geburtsstätten des türkischen Döner Kebab, dort besser bekannt als Iskender Kebab, benannt nach seinem Erfinder. Salim war 1968 aus der Türkei gekommen, wo er in Köfte- und Kebab-Betrieben gearbeitet hatte. Gemeinsam mit seinem Vater verkaufte er Döner erst bei türkischen Vereins- und Familienfesten, dann boten sie den kulinarischen Einwanderer auch Deutschen an. Mit Erfolg.
So zogen Vater und Sohn immer öfter ihren mobilen Döner-Stand vor das Reutlinger Rathaus. Salim kramt ein Foto hervor. Es stammt nach seinen Angaben aus dem Jahr 1969. Es zeigt ihn und seinen Vater beim Döner-Verkauf. Sie haben eine Tafel dabei, auf der steht, woraus ein Döner Kebab gemacht wird.
Wenn die Jahreszahl stimmt, „dann muss die Geschichte des Döner in Deutschland neu aufgerollt werden“, sagt der Geschäftsführer des Gaststättenverbands Dehoga in Baden-Württemberg, Jürgen Kirchherr. „Das ist mehr als überraschend.“
Bislang nämlich gilt Kadir Numan in Berlin als Wegbereiter des Döner. „Unseren Recherchen zufolge war er im Jahr 1972 der Erste“, sagt Derya Colaker vom Verein türkischer Dönerhersteller in Europa (ATDID). Sie organisiert auch die Döner-Messe Döga, bei der Numan im vergangenen Jahr für seine Pionierleistung ausgezeichnet wurde. Auch der Berliner Gastronom Mehmet Aygün beansprucht die Urheberschaft für sich. Er habe bereits 1971 Döner in der Hauptstadt verkauft.
Die Lage ist unübersichtlich. Allein in Baden-Württemberg gibt es nach Schätzungen der Dehoga knapp 2500 Döner-Betriebe. Bundesweit liegt die Zahl bei etwa 15 000 solcher Imbissbuden. Colaker zeigt sich Salims Angaben gegenüber offen, nur müsse er das auch belegen können. Wenn sich die Daten als richtig erweisen, werde der Verein das berücksichtigen, sagt sie.
„Der Döner hat eine lange Geschichte in Deutschland und ich habe auch einen Teil daran, das soll nicht in Vergessenheit geraten“, erklärt Salim seine Beweggründe. „Ich will weder einen Titel noch Berühmtheit erlangen.“ Aber Recht müsse Recht bleiben.
Wenn er sich an die Anfänge erinnert, muss Salim lachen. Minutenlang hätten die Deutschen vor dem sich drehenden Fleischspieß am Heizgrill gestanden. „Die Kinder riefen ihren Eltern zu: 'Papa, so einen riesigen Leberkäse habe ich noch nie gesehen'.“ So lernten die Reutlinger den Döner und Salim den Leberkäse kennen. Ein kultureller Austausch wie er besser hätte nicht sein können.
Zu einem Geben und Nehmen kam es auch, als Salim anfangs das Fladenbrot für die Döner fehlte. An türkische Bäcker in Deutschland war damals noch lange nicht zu denken. „Anfangs haben wir den Döner Kebab in Wecken verkauft, die waren aber viel zu klein - also bestellten wir beim deutschen Bäcker Doppel-Wecken.“
Inzwischen hat Salim mehrere Restaurants geführt und kennt sich bestens in der schwäbischen Küche aus. Beim Gedanken, was heute so alles im Döner angeboten wird, verzieht er das Gesicht. Rotkraut und Mayonnaise etwa haben für ihn nichts darin zu suchen. „Das verfälscht nur den Geschmack.“ Auch sonst gibt es seiner Meinung nach für die Dönerbuden viel Luft nach oben. „Die Betreiber müssen mehr auf Qualität, Hygiene und Freundlichkeit achten.“