Die Spur der Antibiotika reicht bis auf manches Mettbrötchen
Berlin (dpa) - Massenhafter Antibiotika-Einsatz in Ställen kann Folgen bis ins Kühlregal haben: In einigen Wurstsorten tauchen Keime auf, die gegen die wichtigen Stoffe unempfindlich sind. Nun gelten schärfere Regeln.
Wenn Kunden im Supermarkt eine Zwiebelmettwurst kaufen, machen sich wohl nur wenige Gedanken über mögliche späte Spuren der Tierhaltung. Dabei können manche Mettbrötchen kritische Keime tragen, wie eine Stichprobe im Auftrag der Grünen im Bundestag ergab. Das Problem: Diese Bakterien sind widerstandsfähig gegen infektionshemmende Antibiotika. Kritiker warnen seit langem, dass die massenhafte Medikamentengabe in Mastanlagen auch Auswirkungen auf Lebensmittel haben kann. Generell sollen weniger Antibiotika in den Stall. Denn zusehends schlagen sie auch bei Menschen nicht mehr an.
Was hat die Untersuchung der Grünen ergeben?
Für eine Stichprobe wurden in 13 deutschen Städten Wurstprodukte in Supermärkten und Bäckereien gekauft: Mett, Teewurst, Salami und Schinken. Dies sind Rohwurstsorten, die bei der Herstellung nicht erhitzt und vor dem Essen nicht gebraten oder gekocht werden, wie die Grünen-Fraktion erläutert. In 10 der 63 Proben wurden in einem Labor ESBL-Keime gefunden, nämlich sechsmal in Zwiebelmettwurst, in einer Teewurst, einer Salami und zwei Mettbrötchen. Dramatisch sei vor allem das Ergebnis bei Putenprodukten, sagt Grünen-Agrarexperte Friedrich Ostendorff: sechs von neun Proben waren positiv.
Wie können die Keime in Wurstprodukte gelangen?
Problematisch sind die entdeckten Keime, weil sie Enzyme namens ESBL (extended-spectrum beta-lactamases) produzieren. Diese machen sie gegen bestimmte Antibiotika unempfindlich (resistent). Generell fördere die Anwendung von Antibiotika auch bei Tieren die Verbreitung von ESBL-Bakterien, erklärt das Bundesinstitut für Risikobewertung - weil ihre Widerstandsfähigkeit ihnen einen Vorteil im Vergleich zu konkurrierenden Bakterien verschaffe. „Mastställe sind quasi ein riesiges Trainingsgebiet für Keime“, formulieren es die Grünen. Auf Lebensmittel übertragen würden derartige Bakterien etwa beim Schlachten oder der Milchgewinnung, erläutert das Bundesinstitut.
Um welche Antibiotika-Mengen in den Ställen geht es?
Die Gesamtmenge der Antibiotika für die Tierhaltung ist zuletzt etwas zurückgegangen. Nach jüngsten Daten für 2012 wurden 1619 Tonnen an Tierärzte abgegeben und damit 87 Tonnen weniger als im Jahr zuvor. Als besorgniserregend gilt aber eine markante Zunahme bei einigen besonders wichtigen Wirkstoffen - diese dienen als Reserve, wenn normale Antibiotika nicht mehr anschlagen. In riesigen Mastanlagen mit Tausenden Hühnern oder Schweinen bekommen oft ganze Gruppen Medikamente, wenn ein Tier krank ist. Die Grünen fordern daher eine Abkehr vom „System der massenhaften Billigfleischproduktion“.
Wie soll der Antibiotika-Einsatz eingedämmt werden?
„Wir nehmen die Problematik sehr ernst“, sagt eine Sprecherin des Bundesernährungsministeriums. Dabei könnten sich Resistenzen auf harmlose wie krankmachende Keime beziehen. Zum 1. April sind gerade schärfere Regeln in Kraft getreten. Künftig müssen Bauern für Hühner, Puten, Schweine und Rindern alle sechs Monate melden, welchen Stoff sie wie vielen Tieren in welchen Mengen über wie viele Tage geben. In einer bundesweiten Datenbank soll sichtbar werden, wenn ein Landwirt übermäßig viel Antibiotika einsetzt. Liegt eine Mastanlage in der oberen Hälfte oder sogar im obersten Viertel gemessen am Betriebstyp, muss gegengesteuert werden - etwa mit besserer Hygiene im Stall.