Endloses Leiden: Wenig Hilfe bei chronischem Schmerz

Düsseldorf (dpa) - Millionen Menschen leiden unter chronischen Schmerzen. Ärzte fordern seit langem eine bessere Behandlung von Schmerzpatienten. Doch wie groß ist der Leidensdruck der Betroffenen?

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Der Kopf hämmert, der Rücken „bricht durch“, in den Knien sticht es, und das monate- und manchmal sogar jahrelang. Mehrere Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Schmerzen. Am häufigsten sind Rückenschmerzen, gefolgt von Kopf- und rheumatischen Gelenkschmerzen.

Im Durchschnitt dauert die Leidensgeschichte eines Schmerzpatienten sieben Jahre, jeder Fünfte kämpft nach Angaben der Bundesärztekammer sogar 20 Jahre und länger gegen die Beschwerden. Schmerzen verursachen auch volkswirtschaftliche Schäden: Auf mehr als 20 Milliarden Euro werden die Kosten für schmerzbedingte Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung pro Jahr geschätzt.

Der Deutsche Ärztetag setzt sich nun für eine bessere schmerzmedizinische Versorgung nicht nur in Praxen, sondern auch in Krankenhäusern ein. Doch schon die Definition und Diagnose chronischer Schmerzen ist schwierig. Diese fingen da an, wo der Schmerz „sich verselbstständigt“, mehr als drei bis sechs Monate andauere und die Ursache nicht mehr klar zuzuordnen sei, sagt Professor Wolfgang Koppert, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin in Hannover.

Die Schätzungen zur Zahl der Menschen, die in Deutschland unter chronischen Schmerzen leiden, schwanken zwischen 4 und 15 Millionen. Man müsse unterscheiden, ob jemand chronische Schmerzen „hat“ oder unter ihnen „leidet“, sagt Koppert.

Er verweist auf eine europäische Studie, wonach in Deutschland rund ein Drittel der Bevölkerung von chronischen Schmerzen berichtet. Nicht alle aber müssten zum Schmerztherapeuten. Nur 5,4 Prozent, das wären vier bis fünf Millionen Menschen, litten tatsächlich unter körperlichen und sozialen Beeinträchtigungen - mit allen negativen Konsequenzen wie sozialem Rückzug oder Depressionen. „Diese Menschen leiden wirklich“, sagt Koppert.

Der Weg zur richtigen Schmerztherapie dauert Studien zufolge in Deutschland mehr als vier Jahre. Schmerztherapien haben noch keinen hohen Stellenwert und werden zudem schlecht bezahlt. Zwar hätten schon mehr als 4700 Ärzte die Zusatzausbildung in Schmerztherapie, sagt die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Martina Wenker. Viele Patienten würden von den Angeboten aber nicht erreicht. Ab 2016 soll Schmerzmedizin nun auch Pflichtfach für Medizinstudierende werden.

Auf Ablehnung stößt allerdings die Forderung der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin, Fachärzte dafür auszubilden. „Schmerzmedizin ist eine klassische Querschnittsaufgabe“, sagt Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery. Auch Koppert sagt: „Kein Schmerzmediziner nimmt für sich in Anspruch, dass er die gesamte Breite der Schmerzmedizin abdecken kann.“ Daher müsse man interdisziplinär arbeiten und auch Psychologen, Physio- und Sporttherapeuten einbeziehen.

Koppert fordert vor allem auch in Kliniken bessere Schmerztherapien nach Operationen. Dabei gehe es nicht etwa um große Bauchoperationen, sondern um „Mini-Eingriffe“ wie Blinddarm- und Mandelentfernungen. 80 bis 90 Prozent der Patienten solcher kleinen Operationen klagten Studien zufolge nach dem kleinen Eingriff über „nicht akzeptable Schmerzen“. „Wenn Sie sich einer Nieren-Operation unterziehen, haben Sie eine größere Wahrscheinlichkeit, hinterher weniger Schmerzen zu haben als nach einer Blinddarm-Operation“, sagt Koppert. Denn bei großen Eingriffen gebe es in der Regel bessere Schmerztherapien.

Schmerzmedizin müsse nach dem Vorbild des Hygiene-Managements Pflicht in Kliniken und zum Qualitätsindikator für Krankenhäuser werden. Denn die Krankheitsschwere steige, wenn es keine guten Schmerztherapien gebe. „Man kann sagen, dass bei einer schlechten Schmerztherapie die Sterblichkeit steigt.“