Ernährungsbericht: Immer mehr Menschen mit hohem Übergewicht
Schwerin (dpa) - Übergewicht als Normalzustand? In einer überwiegend sitzenden Gesellschaft mit einem Überfluss an Lebensmitteln ist Dicksein normal. Der Mensch ist dafür gemacht, Phasen des Hungers und des Mangels zu überstehen.
Erwachsene in Deutschland werden immer dicker. Männer mit Normalgewicht sind ab Mitte 30 schon in der Minderheit, wie aus dem aktuellen Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) hervorgeht. Bei Frauen überwiegen die Übergewichtigen erst ab dem Alter zwischen 55 und 60 Jahren, wie der Präsident der DGE, Helmut Heseker, berichtete. „Das Übergewicht nimmt von Jahr zu Jahr zu. Es ist der Normalzustand in einer sitzenden Gesellschaft mit Nahrungsmittelüberschuss“, sagte der Professor an der Universität Paderborn.
Dem Bericht zufolge haben im Durchschnitt im Erwachsenenalter 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen Übergewicht, 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen sind sogar stark übergewichtig, also adipös. Adipositas begünstigt Gefäßkrankheiten, Gelenkbeschwerden, Diabetes und Bluthochdruck sowie Krebs. Neben den gesundheitlichen hat das starke Übergewicht auch wirtschaftliche Folgen: In Deutschland habe es das Gesundheitssystem 2010 geschätzte 17 Milliarden Euro gekostet.
Der Trend zu hohem Übergewicht hat in Deutschland besonders zwischen 1999 bis 2009 stark zugenommen - anders als in den USA, Australien, Frankreich oder Schweden. „Die Dicken werden immer dicker“, sagte Heseker. Die unteren sozialen Schichten seien stärker betroffen. Wer mit 40 Jahren schon stark übergewichtig sei, verringere seine Lebenserwartung um sechs bis acht Jahre.
Als Ursachen des Übergewichts sieht die DGE die überwiegend sitzende Lebensweise und den Bewegungsmangel sowie den zunehmenden Verzehr von Lebensmitteln mit einer hohen Energiedichte. Zudem spiele die genetische Disposition eine Rolle: „Fast alle Menschen haben die Fähigkeit, Energiedepots anzulegen, neue Fettzellen zu bilden und zu füllen“, sagte Heseker. Sie funktionierten so, wie Menschen in der Steinzeit funktionieren sollten, die auch Phasen des Hungers und des Mangels überstehen mussten. Besonders warnte die DGE vor zuckergesüßten Getränken. Die mit Getränken aufgenommene Energie werde vom Körper nicht wahrgenommen und beeinflusse nicht den Grad der Sättigung.
Als positiv führte Heseker an, dass bei den Einschulungsuntersuchungen die Zahl übergewichtiger Kinder in einigen Bundesländern nicht mehr angestiegen oder sogar zurückgegangen ist. Vielleicht sei es gelungen, mehr Eltern dafür zu sensibilisieren, auf das Körpergewicht ihrer Kinder zu achten, sagte Heseker. Entwarnung könne aber noch nicht gegeben werden.