Frage nach Organspende rückt näher: Angst ist groß
Berlin (dpa) - Schalten Ärzte lebenserhaltende Maschinen ab, um Organe zu entnehmen? Solche Ängste hemmen die Spendebereitschaft, die eigentlich groß ist, wie eine Studie ergab. Bald sollen sich die Bürger entscheiden.
Trotz aller Aufrufe zu mehr lebensrettenden Organspenden haben Millionen Menschen in Deutschland Zweifel. Werden sie als Schwerkranke in der Klinik wirklich noch gut versorgt, wenn sie ihre Spendebereitschaft erstmal erklärt haben? Und sind sie wirklich tot, wenn die Ärzte die Organentnahme vorbereiten? Bald wird es ernst. Nach einer Grundsatzeinigung von Union, SPD, FDP, Linken und Grünen im Bundestag arbeiten die Fraktionen derzeit an einem Gesetzentwurf, nach dem alle Bürger zu ihrer Spendebereitschaft befragt werden sollen.
Die erste Umfrage nach dem Ende November erreichten Kompromiss macht deutlich: Die Zahl der möglichen Spender könnte stark steigen - 66 Prozent sagen, sie würden wohl ihre Einwilligung geben. Heute hat höchstens jeder Fünfte einen Spendeausweis. „Hier ist ein ganz großes Potenzial“, sagt Brigitte Mohn vom Vorstand der Bertelsman Stiftung, die sich gemeinsam mit der Krankenkasse Barmer GEK des Themas angenommen hat.
Doch die damit befasste Forscherin Marlies Ahlert von der Universität Halle-Wittenberg dämpft trotz des klaren Resultats die Erwartungen: „Ich würde es mit Vorsicht genießen, weil es eine Absichtserklärung ist.“ Kommt die Frage konkret - etwa mit einem Brief der Krankenkasse - auf den Tisch, könnten doch weniger Ja sagen.
Immerhin 45 Prozent der Bundesbürger fürchten, dass die Ärzte nicht mehr mit vollem Einsatz um ihr Leben kämpfen, wenn sie sich erstmal zu einer Spende bereiterklärt haben. „Wir können die Menschen beruhigen“, versichert Barmer-GEK-Chef Christoph Straub. Das geltende Kriterium Hirntod sei sicher, die medizinische Betreuung erklärter Organspender nicht schlechter.
Tatsächlich wird im Klinikalltag nicht der Tod von Patienten in Kauf genommen, um an wertvolle Nieren, Lebern oder Herzen zu kommen - vielmehr gehen viele Organe verloren, weil für Kliniken und Ärzte die Organentnahme keinen Vorrang hat. „Man muss an der Infrastruktur etwas tun“, sagt Straub. Die Zersplitterung der Kliniklandschaft mit vielen kleinen Häusern erschwert laut Gesundheitsmonitor 2011, potenzielle Spender zu erkennen und die Angehörigen zu betreuen. Transplantationsbeauftragte in den Kliniken sollen dies künftig verbessern.
„Jeden Tag sterben drei Menschen auf der Warteliste“, mahnt Straub. Rund 12 000 Menschen warten auf ein Organ, am häufigsten auf Niere oder Leber. Heikel ist die Frage: Wer bekommt eines? Heute sind die Gewebeeigenschaften und die Länge der Wartezeit entscheidend.
Geht es nach 53 Prozent der Bundesbürger, sollten auch Menschen weniger Chancen haben, wenn sie ihren Zustand etwa durch den Konsum von Alkohol oder Drogen mitverschuldet haben. Straub lehnt dies ab - doch müsse man vielleicht über Fälle debattieren, bei denen Betroffene auch für die Zukunft keine Verhaltensänderung versprechen. Auch wer selbst erklärter Spender ist, könnte als Bedürftiger früher drankommen.
Service:
Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und der Krankenkasse Barmer GEK hatte das Institut GfK Healthcare kurz nach der Einigung der Fraktionen Ende November 1000 Frauen und Männer ab 14 Jahren befragt. Für den Gesundheitsmonitor 2011 von Bertelsmann Stiftung und Barmer GEK, der schon zuvor konzipiert worden war, lagen 1778 Antworten zum Thema Organspende vor.