Frisch und grasig: Das macht ein Spitzen-Olivenöl aus
Ravensburg (dpa/tmn) - Wer hochwertiges Olivenöl sucht, sollte auf die Bezeichnung „nativ extra“ achten. Denn es unterliegt besonderen Geschmacks- und Geruchsvorgaben. Und die wiederum hängen mit der Ernte und Verarbeitung der Oliven zusammen.
Wenn Efthimios Christakis über Olivenöl spricht, gerät er ins Schwärmen. Wie beim Wein spiele das Terroir, auf dem die Bäume wachsen, für den Geschmack eine große Rolle, sagt der in Ravensburg ansässige zertifizierte Olivenöl-Experte aus Griechenland. „Die Bäume wachsen anders, wenn sie zum Beispiel eine Salzbrise am Meer bekommen, sie nehmen je nach Standort andere Mineralien auf.“ Ein und dieselbe Olivensorte schmecke daher auf Kreta anders als auf dem Peloponnes und dort noch anders als auf dem griechischen Festland.
Grundsätzlich sollte gutes Olivenöl eine grasige Note haben und frisch schmecken, erklärt der Experte. Unterschieden werde nach EU-Vorgaben zwischen drei Geschmacksrichtungen: „Mildes“ Öl sei sehr weich im Gaumen, „Mittleres“ habe Pfeffer-, Tomaten, Bananen- und Mandelnoten. „"Intensives" Olivenöl schmeckt richtig nach Olive und Mandelbitter. Das nimmt man am besten zum Verfeinern.“ Christakis empfiehlt, zum Beispiel Fisch oder Spargel damit zu beträufeln.
Wer ein neutrales Olivenöl haben will, sollte nicht zu einem sortenreinen Produkt greifen, rät Egle Palma vom Slow-Food-Convivium Terres de l’Ebre. Denn darin steckt nur eine Olivensorte, die dem Öl seinen spezifischen Geschmack gibt. „Es gibt Olivensorten, die schmecken wie Artischocken oder leicht zitronig“, erläutert die Olivenölproduzentin aus Tortosa im katalanischen Ebro-Delta. Bei neutralen Ölen seien dagegen drei Sorten zusammen verpresst, damit nicht ein bestimmtes Aroma herausschmeckt.
Olivenöl wird einer EU-Verordnung zufolge auch in verschiedene Güteklassen eingeteilt. Die höchste Stufe „nativ extra“, in Italien „extra vergine“ oder „extra virgen“ in Spanien genannt, erreichen nur Öle, die einwandfrei riechen, schmecken und ein Mindestmaß an Fruchtigkeit haben, wie die Stiftung Warentest erläutert. Sie hat für ihre Zeitschrift „test“ zuletzt vor knapp zwei Jahren Olivenöl unter die Lupe genommen und kritisiert, dass etliche als „nativ extra“ gekennzeichnete Öle diesen Vorgaben nicht entsprechen.
Der Säuregehalt bei Olivenöl nativ extra darf außerdem 0,8 Prozent nicht überschreiten. „Je niedriger der Säuregrad, umso besser“, sagt Palma. Meist ist die Zahl auf dem Etikett der Flasche angegeben. 0,5 Prozent sei bei einem guten Öl ein akzeptabler Wert. Das Öl, das Nicolò Madonia von der Azienda Agricola Madonia in San Giovanni Gemini auf Sizilien mit seinem Bruder produziert, liegt noch weiter darunter: Jedes Jahr werde es analysiert und habe derzeit den sehr niedrigen Wert von 0,18 Prozent, erläutert der Biobauer.
Bei leichten sensorischen Fehlern oder fehlender Fruchtigkeit wird Olivenöl in die Güteklasse „nativ“ eingruppiert. Fehlnoten gibt es laut Christakis wegen schlammiger, gurkiger, metallischer oder ranziger Aromen. Sie kommen zum Beispiel zustande, wenn die Früchte vor dem Pressen gequetscht werden und anfangen schlecht zu werden. Auch zu langes Lagern vor dem Pressen schadet.
„Innerhalb von 24 Stunden nach der Ernte sollten die Oliven gepresst werden“, sagt Madonia. „Wenn sie innerhalb von zehn Stunden nach der Ernte gepresst werden, ist das schon gut“, ergänzt Christakis. „Ideal ist, wenn sie binnen vier bis acht Stunden zur Mühle kommen, unter vier Stunden ist es Spitzenklasse.“ Auch die Temperatur beim Pressen spielt eine Rolle: Um von kaltgepresstem Öl zu sprechen, dürfe die Olivenmasse nicht heißer als 33 Grad werden, sagt Palma. „Sonst sind die guten Inhaltsstoffe weg.“
Olivenöl besteht laut Stiftung Warentest zu 75 Prozent aus einer einfach ungesättigten Fettsäure. Diese Ölsäure könne unter anderem dazu beitragen, das sogenannte schlechte LDL-Cholesterin im Blut zu verringern und positiv auf die Insulinempfindlichkeit zu wirken.
Olivensorte und Reifegrad der Früchte bestimmen auch, wie bitter ein Öl schmeckt. Grün geerntete Oliven führten zu einem schärferen Aroma als dunkle, so die Warentester. „Je reifer die Oliven, desto weicher fällt das Öl aus“, ergänzt Christakis. Solche milden Öle eignen sich „test“ zufolge zum Beispiel als Zutat für Desserts und Kuchen, wo sie einen Teil des sonst verwendeten Fetts ersetzen können. Öle mit mehr Aroma bieten sich eher zum Braten an, sollten aber nicht zu heiß werden, damit sich kein gesundheitsschädliches Acrylamid bildet.
Eine Besonderheit sind aromatisierte Öle. „Dabei werden Kräuter wie Thymian, Rosmarin oder Wacholder zusammen mit den Oliven verpresst“, erläutert Palma. „Die ätherischen Öle der Kräuter gehen dabei ins Öl über.“ Je nach Kraut passe solch ein Öl zu Kartoffeln, Wildgerichten oder mediterranen Speisen. Und nicht nur Salat, auch eine Ente à l'Orange lasse sich mit Olivenöl verfeinern. Denn auch ganze Zitronen oder Mandarinen würden gelegentlich mit Oliven gepresst und so dem Öl ihr Aroma mitgeben.