Heiß auf Bio-Bohne: Kleine Rösterei besetzt Marktnische

Karlsruhe (dpa) - Man kann nur dem Kaffee vertrauen, den man selbst geröstet hat. Diese Ansicht hat zwei Männer in Karlsruhe zur Bohne gebracht. Was als lustiges Experiment anfing, hat sich zu einem ernsthaften Geschäft mit Bio-Kaffee ausgeweitet.

Begonnen hat alles mit einem Experiment. Als der gelernte Goldschmied Stefan Kehr keinen anständigen Bio-Espresso fand, beschloss er, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. „Also habe ich herumprobiert und in meiner Küche kleine Mengen an Bohnen in der Bratpfanne geröstet“, erzählt er und füllt dabei mit einer Schaufel braune Bohnen in silberne Tüten ab. Denn inzwischen ist er selbst zum Produzenten geworden.

Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner, dem Kaffeebar-Besitzer Gerald Hammer, röstet der 41-Jährige heute rund fünf Tonnen bio-zertifizierten Espresso im Jahr. In einem kleinen Bretterverschlag auf dem Karlsruher Schlachthof-Areal komponieren die beiden Kleinunternehmer seit 2009 sowohl sortenreine Kaffees als auch Arabica-Robusta-Mischungen. Ihre Angebote, die sie unter dem Namen „Espresso tostino“ vertreiben, haben es mittlerweile in die Regale lokaler Biosupermärkte geschafft.

Die zwei Kaffeeliebhaber folgen einem Trend. „In den vergangenen Jahren wurden wieder mehr Kleinröstereien eröffnet“, sagt Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes in Hamburg. Er geht davon aus, dass etwa 300 Röstereien in Deutschland immer individuellere Kundenwünsche bedienen. Allein im Raum Karlsruhe bieten das Traditionsunternehmen „Ettli“ und die Privatrösterei Bauer aus Kleinsteinbach im Pfinztal eigene Kaffeemischungen an. Hinzu kommt die Studentenvereinigung „Coffee Geeks“, die sonntags selbstgerösteten Espresso an Passanten verschenkt.

Mit seinem Bio-Angebot hat „Espresso tostino“ eine kleine Nische besetzt. Zwar steigt nach Angaben von Preibisch die Nachfrage nach Kaffee mit entsprechendem Zertifikat stetig, aber auf sehr niedrigem Niveau. Für Hammer und Kehr bedeutet die Festlegung auf Bio, dass sie die Produzenten genau unter die Lupe nehmen müssen. „Nur etwa vier Prozent der Ware, die auf dem weltweiten Kaffeemarkt angeboten wird, kommt für uns überhaupt infrage“, sagt Hammer.

Ihren ersten Röster ließen sich die zwei von einem Künstler bauen. „Mit Trommel, Handkurbel und einem Campingkocher als Feuerstelle“, erinnert sich Kehr schmunzelnd. Die ersten Röstversuche folgten dem Prinzip Versuch und Irrtum. Zunächst ernteten die beiden viel Hohn und Spott, denn die Kunden aus Hammers Bar zeigten sich als strenge Tester. „Im ersten Jahr haben wir 40 Kilo Ausschuss produziert“, gibt der 48-Jährige lachend zu. Verbrannt. Bitter. Zu wenig geröstet. Doch nach einiger Zeit schmeckte der Espresso schließlich. „Er ist stabil“, wie Hammer es nennt, „und er ist vor allem reproduzierbar“.

Inzwischen verwandelt ein 15 Kilogramm fassendes Ungetüm, das entfernt an eine Lokomotive erinnert, unablässig grüne Bohnen in braune. Den Röster haben die beiden vor gut einem Jahr auf einer Internet-Auktionsplattform erstanden. In der Luft liegt ein Duft nach Laub, das in der Sonne verdorrt. Direkt nach der Röstung fehlt den Bohnen, die aus Indonesien, Brasilien, Mexiko oder Äthiopien kommen, noch der typische Kaffeegeruch. Der stellt sich erst nach einer Woche Ruhezeit ein.

Die Kunst des Röstens liegt in der Abstimmung: „Je länger man röstet, desto mehr Säure entweicht aus der Bohne - gleichzeitig verringert sich aber auch das Spektrum der Aromen, das muss man immer bedenken“, erklärt Kehr. Er und Geschäftspartner Hammer setzen auf ein schonendes Langzeitverfahren, bei dem die Bohnen mindestens 20 Minuten bei 180 bis 220 Grad im Röster bleiben. „Unser Ziel ist es, maximalen Geschmack bei maximaler Bekömmlichkeit zu erreichen.“

Mit ihrem Verfahren setzten sich die beiden Karlsruher etwa von Johannes Bayer ab, einem der Stars der bayerischen Szene, der auf die kurze Röstung schwört. Damit erhielten die Bohnen einen Hauch von Orange, Zitrone oder Waldbeere, sagt Hammer und fügt hinzu: „Die deutsche Kaffeeszene hat mittlerweile einiges zu bieten.“ Aber genau das mache den Wettbewerb ja auch so spannend.