Kinder: Wenn die Psyche krank wird

Auch der Nachwuchs kann schon unter Depressionen leiden, oft wird das nur nicht erkannt.

Düsseldorf. Unruhe, fehlende Konzentration, Bauchschmerzen, Essstörungen. Immer mehr Kinder leiden unter diesen und ähnlichen Symptomen. Manchmal ist die Diagnose schnell zur Hand. Magersucht, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) oder Angstzustände: psychische Störungen machen auch vor Kindern und Jugendlichen nicht halt. Die Ursachen sind vielschichtig. Stress in der Schule oder familiäre Probleme können dazu führen, dass die gequälte Psyche mit einem Hilferuf auf sich aufmerksam machen will. Nicht immer wird er verstanden und manchmal klagt die verletzte Seele auch so im Verborgenen, das niemand etwas merkt. Vielen Eltern ist nicht bewusst, dass auch schon Kinder psychische Beschwerden entwickeln können. Dabei ist nahezu jedes fünfte Kind in Deutschland davon betroffen, jedes 20ste gilt als dringend behandlungsbedürftig. Die Rate ist fast so hoch wie bei Erwachsenen.

Eine frühzeitige Therapie lindert Folgeschäden

Neben hyperaktiven, verhaltensauffälligen und aggressiven Kindern, die ihre Lehrer nerven und ihre Eltern tyrannisieren, gibt es auch die so genannten leisen Störungen. Dazu zählen depressive Symptome, Phobien oder Trennungsangst. Sie gehören sogar zu den häufigsten seelischen Erkrankungen im Kindesalter. Weil sie nicht sofort ins Auge fallen und die betroffenen Kinder sich oftmals erst sehr spät bemerkbar machen. "Zudem interpretieren Eltern die Anzeichen einer leisen Störung oft falsch", sagt Silvia Schneider, Kinderpsychologin an der Universität Basel. So wird Ängstlichkeit nicht selten für einen generellen Wesenszug des Kindes gehalten. Während hyperaktive Kinder mittlerweile recht häufig in Behandlung sind, werden depressive Kinder wesentlich seltener beim Psychotherapeuten vorstellig. Zum einen haben Eltern oft keine Vorstellung, wie sie ihren Kindern helfen können. Oft sind es auch unnötige Schuldgefühle, die den Weg zum Psychologen verbauen. Das sich psychische Probleme im Kindesalter verlieren oder von selbst auswachsen ist eine weit verbreitete Meinung, die inzwischen mit handfesten Zahlen widerlegt werden kann: In etwa jedem zweiten Fall verläuft eine kindliche Erkrankung der Seele chronisch, wenn sie nicht behandelt wird. Die Hälfte aller Angststörungen beginnt schon vor dem elften Lebensjahr. Und neun von zehn Menschen, die im Kindesalter unter Trennungsangst litten, sind als Erwachsene psychisch krank und leiden unter Panikstörungen, depressiven Erkrankungen oder sind alkoholabhängig. Die Aussichten einer frühzeitigen Therapie gelten als besonders gut. Aber sollte eine Therapie schon im Grundschulalter oder gar im Kindergarten beginnen? Günter Esser, Psychologe an der Universität Potsdam, bejaht diese Frage mit Bestimmtheit: "Der Veränderungsspielraum im Kindesalter ist einfach größer. Kinder entwickeln sich ständig und in viel drastischerem Maße als Erwachsene weiter. Therapeuten haben viel mehr Möglichkeiten als bei erwachsenen Patienten, diese Entwicklungsdynamik zu nutzen.

Wege, dem Kind zu helfen

Hilfe Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Man behandelt sie eher mit spielerischen Mitteln. Daher sollte bei psychischen Erkrankungen im Kindesalter ein speziell ausgebildeter Kinderpsychotherapeut zu Rate gezogen werden. Oft hilft auch eine Familientherapie, in die alle Familienmitglieder einbezogen werden.