Rein oder raus? Zahnfüllungen aus Amalgam

Berlin (dpa/tmn) - Amalgamhaltige Plomben drin lassen oder rausnehmen? Die Meinungen über die gesundheitlichen Folgen der quecksilberhaltigen Zahnfüllungen gehen weit auseinander. Einigkeit besteht nur darüber, dass die Gefahr im Moment der Verarbeitung am größten ist.

Quecksilber ist die giftigste nicht-radioaktive Substanz, die die Menschheit kennt: Schon zwei Gramm sind tödlich. Im Prinzip ein Gefahrengut - und doch haben es viele im Mund: Amalgamfüllungen bestehen zu etwa 50 Prozent aus dem Schwermetall. Akut toxisch ist es zwar nur in gelöster Form und nicht, wenn es wie im Mund mit anderen Metallen gebunden und ausgehärtet ist.

Wer sie im Gebiss hat, hat im Durchschnitt einen viermal so hohen Quecksilber-Wert im Blut wie amalgamfreie Menschen. Das wurde im Zuge verschiedener Studien - zuletzt unter anderem vom German Amalgam Trial unter Leitung des Zentrums für naturheilkundliche Forschung der TU München - nachgewiesen. Was die gesundheitlichen Folgen angeht, scheiden sich die Geister: Sehen die einen ganz klar ein Vergiftungsrisiko, schätzen andere das als gering ein.

„Natürlich können wie bei jedem Fremdkörper, der dauerhaft im menschlichen Organismus verbleibt, unerwünschte Nebenwirkungen auftreten“, erklärt Reiner Zaijtschek vom Freien Verband Deutscher Zahnärzte. Prinzipiell sei die Belastung durch amalgamhaltige Plomben jedoch gering. „Und da ist auch keine Studie, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen ihnen und chronischen Gesundheitsschäden erwiesen hat.“ Äußerst wichtig sei aber ein verantwortungsvoller Umgang mit Amalgam. Quecksilber sei in Dampfform besonders gefährlich und die entstehe beim Legen und Herausbohren der Füllungen.

Darüber, dass die größte Vergiftungsgefahr beim Rein und Raus des Amalgams gegeben ist, besteht Einigkeit. Ganz anders sieht es im Hinblick auf mögliche Risiken des Schwermetall-Dauerkontaktes durch die Plomben aus. „Sobald die Füllung ausgehärtet ist, ist kein freies Quecksilber mehr vorhanden“, betont Dietmar Oesterreich von der Bundeszahnärztekammer in Berlin. Über den Abrieb hinaus werde kein Quecksilber aus dem Amalgam-Metallverbund herausgelöst.

Amalgamkritiker sehen das anders: „Die Füllungen geben fortlaufend kleine Dosen Quecksilber ab. Ein Teil davon lagert sich im Körper ab - unter anderem im Bindegewebe und den Organen“, erklärt Claudia Hesse von der Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin in Berlin. Freigesetzt werde das Schwermetall nicht allein in Form des Abriebs. So könnten sich auch durch Säuren Quecksilberionen aus den Plomben lösen und über den Speichel in den Verdauungstrakt gelangen, wo sie aufgenommen und über den Blutkreislauf im Körper verteilt werden.

„Am gefährlichsten ist der Quecksilberdampf, der vor allem beim Verzehr heißer Speisen und Getränke frei wird“, erläutert sie. Er werde über Nasen- und Mundhöhle eingeatmet, gelange ins Blut und könne nicht nur alle Gewebe, sondern auch die Blut-Hirn-Schranke, die das Gehirn vor Giften schützt, durchdringen.

Laut Peter Jennrich von der Ärztegesellschaft für klinische Metalltoxikologie kommt es häufig zu neurologischen Symptomen wie innerer Unruhe und Abgeschlagenheit sowie Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden. „Darüber hinaus kann eine Vergiftung mit dem Schwermetall auch Co-Faktor für beinahe alle chronischen Erkrankungen sein“, ergänzt er.

Ob eine Vergiftung vorliegt und wie stark sie ist, ist durch eine Standarduntersuchung oft nicht herauszufinden. „Weder eine reguläre Blutanalyse noch eine Urinprobe zeigen alles“, erklärt Jennrich. Da die Schadstoffe sich in Gewebe und Organen anreichern, bringe nur ein spezieller Provokationstest Klarheit. Dieser erfolgt, indem ein Chelatbildner verabreicht wird - eine organische Verbindung, die in der Lage ist, versteckte Metallionen zu binden und abzuführen. Dadurch wird das tatsächliche Ausmaß der Belastung im Urin messbar.

Vom Ergebnis hängt die Therapie ab. Dazu gehören das Entfernen der Amalgamplomben sowie eine Schwermetallausleitung. Letztere kommt auch bei akuten Vergiftungen zum Einsatz und erfolgt am effektivsten mit Chelatbildnern.