Wenig Alkohol „wie ein Faustschlag fürs Gehirn“
Lissabon (dpa) - Das berühmte gelegentliche „Gläschen in Ehren“ kann entgegen der Volksweisheit doch schon zu viel sein. Das haben chinesische Forscher bei ihren Studien herausgefunden.
Bereits geringer Alkoholgenuss kann das menschliche Gehirn sofort schädigen kann, fanden die Wissenschaftler heraus. Dauerhaft sei dieser Schaden aber nicht, heißt es in der Studie, die beim 21. Jahreskongress der Europäischen Neurologen-Gesellschaft (ENS) in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon vorgestellt wurde.
„Schlechte Nachrichten für alle, die sich gerne das eine oder andere Gläschen gönnen - selbst eine kleine Menge Alkohol ist wie ein Faustschlag für das Gehirn“, berichtete Lingmei Kong von der Medizinischen Universität im chinesischen Shantou in einer Pressemitteilung vom Kongress.
Untersucht wurden für die Studie junge, gesunde Frauen und Männer im Alter zwischen 20 bis 35 Jahren. Ermittelt wurden dabei die Auswirkungen von geringen und hohen Mengen Alkohol. Selbst geringe Alkoholmengen veränderten Stimmung und Verhalten der Testpersonen. Sie waren niedergeschlagen, sprachen schneller, wirkten aufgeregt und litten unter Kopfschmerzen und Schwindelgefühlen. Ihnen war 0,45 Gramm Alkohol pro Kilo Körpergewicht verabreicht worden.
Die Testpersonen, denen eine hohe Alkoholdosis verabreicht worden war, zeigten den Angaben zufolge Reaktionen wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Übelkeit und Niedergeschlagenheit und waren benebelt. Sie hatten Probleme, ihre Bewegungen zu kontrollieren und zu koordinieren. Die Dosis, die dieser Gruppe verabreicht wurde, betrug 0,65 Gramm Alkohol pro Kilogramm Körpergewicht.
„Wir untersuchten die akuten Effekte von geringen und hohen Alkoholdosen via Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI). Konkret wollten wir herausfinden, ob man die Auswirkungen von Alkoholkonsum anhand zweier Kenngrößen beobachten kann: dem Diffusionskoeffizienten (ADC) und der fraktionalen Anisotropie (FA)“, sagte Dr. Lingmei Kong auf dem Treffen von rund 3 200 Neurologie-Experten und Expertinnen aus aller Welt, das am Dienstag nach vier Tagen zu Ende ging.
Mit einem bestimmten Verfahren, der Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI), konnten die Forscher den Rausch, also die Veränderungen im Gehirn nach akutem Alkoholkonsum, sichtbar machen. „Mit konventioneller Kernspintomographie konnten wir bei keiner der Testpersonen irgendeine Abweichung feststellen, mit DTI hingegen schon“, erläuterte Lingmei Kong.
Die chinesischen Forscher konnten so nach eigenen Angaben zeigen, dass Thalamus und Frontallappen bei akutem Konsum von Bier, Wein und anderen alkoholischen Getränken empfindlicher als andere Gehirnareale reagierten, wie Lingmei Kong berichtete. Möglicher Trost: „Die Wiederherstellung der DTI-Parameter innerhalb von drei bis vier Stunden nach dem Trinken könnte ein Hinweis darauf sein, dass niedrige wie hohe Alkoholmengen die Gehirnfunktionen zwar sofort beeinträchtigen, aber nicht dauerhaft schädigen.“