Zu wenig Gesundes für die Kleinen
Warum ist das Essen in deutschen Kitas häufig so unausgewogen? Was könnte man besser machen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Gütersloh. Zu viel Fleisch und zu wenig Obst und Gemüse: Das Essen in deutschen Kitas ist zu selten ausgewogen. Eine repräsentative Erhebung der Bertelsmann-Stiftung hat ergeben, dass in fast 1100 Kindertagesstätten in allen Bundesländern nur rund ein Drittel der Einrichtungen angab, sich an anerkannten Standards bei der Essenauswahl zu orientieren — etwa den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Nach Angaben der Bertelsmann-Stiftung werden bundesweit mehr als 1,8 Millionen Kinder am Mittag in einer Kita verpflegt. Bei den unter drei Jahre alten Kindern seien es 80 Prozent, bei den älteren 60 Prozent. Je nach Bundesland gibt es große Unterschiede. In Ostdeutschland gehört das Mittagessen zum Standard.
Die DGE hat klare Vorstellungen: An 20 Verpflegungstagen sollten es an jedem Tag Gemüse geben, mindestens an acht Tagen in Form von Rohkost oder Salat, heißt es in den Standards, die aber nicht verpflichtend sind. Mindestes achtmal sollte es auch Obst geben, aber eben maximal achtmal Fleisch.
Für DGE-Expertin Esther Schnur sind die Missstände kein spezielles Kita-Problem. Heißt: Auch viele Erwachsene essen zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse oder Obst - und zwar durch alle Altersgruppen. Hinzu komme, dass die Verpflegung für Kitas oder Schülerhorte ja nicht von Ernährungswissenschaftlern bestellt werde, sondern von Pädagogen. „Deren Kernkompetenz ist nicht die Ernährung.“
Meist Caterer. Der Auftrag dazu muss in der Regel ausgeschrieben worden sein. Nur knapp ein Drittel der Kitas bereiten alle Speisen selbst zu. Tiefgekühlt geliefertes Essen sei aber nicht per se schlechter als das selbstgekochte. „Wenn es richtig gemacht wird“, sagte Alexandra Knauß, Ernährungswissenschaftlerin bei der DGE-Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Baden-Württemberg in Stuttgart. Der Caterer liefere aber natürlich nur das, was bestellt werde. Zu oft setze sich dabei offenbar die traditionelle Einstellung durch, nach der zu jedem guten Essen ein Stück Fleisch gehört.
Eine Möglichkeit wäre eine Obergrenze von Fleisch für öffentlich geförderte Kitas, so Expertin Reinhild Benning, Agrarexpertin beim Umweltverband BUND. „Wir brauchen bundeseinheitliche und verbindliche Standards auf Basis der DGE für die Verpflegung an Kitas“, sagt Oliver Huizinger von der Organisation Foodwatch. „Geschmacksverstärker und künstliche Aromen müssen verboten werden“, fordert Huizinger, der bei Foodwatch für den Bereich Kinderernährung verantwortlich ist. Auch müssten die Werbung in den Kitas gestoppt und die Hygienestandards stärker überprüft werden.
Laut Studie zahlen Eltern im Schnitt 2,40 Euro für ein Mittagessen ihrer Kinder. Um die DGE-Standards für eine ausgewogene Ernährung zu erfüllen, müssten es laut Studie rund vier Euro sein — was jedoch von den DGE-Expertinnen nicht bestätigt wurde.
Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren brauchen laut DGE etwa 1000, Kinder bis sechs Jahren etwa 1500 Kalorien am Tag. Als Faustformel gelte dabei: zwei Drittel pflanzliche, ein Drittel tierische Lebensmittel. Gemüse und Obst gehören mehrmals täglich auf den Tisch, denn sie liefern Vitamine und Nährstoffe. Wichtig für eine ausgewogene Ernährung sind zudem Getreideerzeugnisse wie Brot, Nudeln und Reis. Eine fleischlose Ernährung empfiehlt die DGE nicht, weil es dabei zu einem Vitamin-B12-Mangel kommen kann.
Eltern sollten mitdenken — und darauf achten, was ihren Kinder in den Kitas oder Horten aufgetischt wird. So lasse sich bei der Auftragsvergabe an den Caterer ja auch festlegen, was dieser liefern soll, sagt DGE-Expertin Schnur. Und dann lasse sich daheim auch immer noch „gegensteuern“, indem man dann eben nicht nochmal Fleisch isst, bewusst Fisch serviert und den Kindern Gemüse anbietet.