Vorsicht zerbrechlich: Designer wagen sich an Glasmöbel
Offenbach (dpa/tmn) - Wenn alles schon irgendwann mal da war, müssen Designer oft ganz neue Wege gehen. Einige Möbeldesigner versuchen sich an Glas, einem sehr fragilen Material. Spannend: Die traditionelle Produktionsweise gibt dem Design Grenzen vor.
Dafür sind aber interessante Effekte möglich.
„Ich arbeite gerne mit authentischen Materialien wie Metall, Glas, Leder, Wolle“, sagt der Designer Sebastian Herkner aus Offenbach. Gerade Glas fasziniert ihn. „Ich denke, es ist ein interessanter Werkstoff, weil er transparent, aber auch zerbrechlich ist.“ Sein Bell Coffee Table für den Hersteller Classicon war sein erstes Projekt damit - und der Entwurf von 2012 lässt sich schon jetzt als eine Ikone des Gegenwartsdesigns bezeichnen. Der Tischfuß besteht aus mundgeblasenem Glas, der eine Messingkonstruktion trägt.
Mundgeblasen sind auch Glas-Produkte, die Herkner für den Hersteller Pulpo entworfen hat. Er reizte hier die traditionelle Handwerkskunst aus: Der gläserne Körper der großen Oda-Leuchte ist das Maximum, was ein Glasbläser fertigen kann. „Die Kühlkammer muss extrem groß sein“, erklärt Pulpo-Inhaber Patrick L‘hoste. „Auch die körperliche Leistungsfähigkeit der Arbeiter setzt Grenzen. Die Bläser haben rund 15 Kilo heißes Glas zu stemmen.“ Sie können an einem Vormittag höchstens zehn Lampen blasen. Daher gibt es nur kleine Stückzahlen.
Das Besondere am Glas ist natürlich auch, dass es faszinierend zart wirkt. Die Leuchte Iris von Designer Sebastian Scherer aus Berlin ist inspiriert von einem ebenfalls fragilen Körper, einer Seifenblase. Die Oberfläche des kugelförmigen, mundgeblasenen Leuchtenkörpers schimmert auch wie die der Seifenblasen in den Farben des Regenbogens.
„Es war extrem schwierig, eine Beschichtung zu finden, die das irisierende Farbspiel einer Seifenblase erzeugt“, erklärt Scherer. „Der Entwicklungsprozess zog sich deshalb über eineinhalb Jahre hin.“ Er erzielte die gewünschte Optik mittels einer Bedampfung in einem Vakuum. Auch hier sind der Produktion aber Grenzen gesetzt: Die Größe der Vakuumkammer schränkt das Volumen des Produktes ein.
Scherer arbeitet viel mit Glas, sein Beistelltisch Isom besteht aus industriegefertigtem Flachglas. Die Platten sind fugenlos zu einer wabenartigen Form zusammengefügt, so dass sich ein spannungsreiches Spiel zwischen Zwei- und Dreidimensionalität entfaltet. Bei der Produktion kommt neueste Technologie zum Einsatz. „Die Tische sind mit computergesteuerten CNC-Maschinen gefertigt“, erklärt der Designer. „Anders wäre das millimetergenau Schleifen sowie die Anfertigung der Gärung nicht möglich.“
Platten verwendet auch der italienischen Hersteller Glas Italia. Eigentlich verdient das Unternehmen sein Geld mit der Fertigung von Fassadenglas, nun ging es aber dem Trend nach und legte eine Design-Serie mit Glasmöbeln auf. Namhafte Gestalter wie Patricia Urquiola, die Brüder Erwan und Ronan Bouroullec oder Piero Lissoni haben dafür Produkte entworfen. Auch diese Objekte sind nicht für den Massenmarkt bestimmt. Es sind Experimente, die zeigen, welche gestalterischen Möglichkeiten der Werkstoff Glas in einem modernem Kontext bietet.
„Die Inspiration für unsere Arbeit kam bei Glas Italia vor allem durch das Unternehmen selber“, erklärt der französische Designer Ronan Bouroullec. „Faszinierend ist deren Kompetenz in der Technik des Klebens.“ So konnten etwa Objekte wie die Serie Shimmer von Patricia Urquiola ohne Schrauben oder sonstige Verbindungselemente fugenlos mit Hightech-Klebstoffen zusammengefügt werden. Es entstehen millimetergenau gearbeitete Designstudien, die aufgrund der Transparenz und fragilen Konstruktion fast schwerelos wirken.
Info-Kasten: Design-Glashaus auf der IMM Cologne im Januar
Der uralte Werkstoff Glas bietet den Designern viele Möglichkeiten, neue gestalterische Visionen zu entwickeln. Der Designer Sebastian Herkner baut für die Möbelmesse IMM Cologne in Köln (18. bis 21.1.) ein Haus mit runden Wänden, die komplett aus Glas bestehen. Dessen Durchsichtigkeit mag manch einem nicht alltagstauglich vorkommen. Der junge Designer sieht darin vor allem eine Botschaft gegen die immer stärker werdende gesellschaftliche Tendenz zur Abschottung: „Die Transparenz des Hauses ist ein Ausdruck für die Notwendigkeit, sich Veränderungen mit mehr Offenheit zu stellen.“