Gemüse vom Mietacker - Das Geschäft mit den Hobbygärtnern
Essen (dpa) - Ohne eigenen Acker eine ganze Saison lang frisches Gemüse ernten, dazu Tipps vom Experten und ein überschaubares Maß an Arbeit? Das versprechen Mietgärten, die mehrere Anbieter inzwischen deutschlandweit vermarkten.
Eine etwa 40 Quadratmeter-Parzelle beispielsweise ist für rund 150 bis 250 Euro zu haben - je nach Standort und Bio-Siegel. Für das Geld bekommt der Kunde im Frühjahr ein fertig gedüngtes, eingesätes und bepflanztes Ackerstück. Bis zum Herbst ist er für die Pflege verantwortlich, je nach Anbieter kann er bis zu mehrere Dutzend Sorten Gemüse ernten.
Beliebt sei die Selbst-Ernte unter anderem bei den „jungen Alten zwischen 50 und 55 Jahren“, die bereits Erfahrung haben, aber schwere Arbeiten wie Umgraben im eigenen Garten scheuen, erklärt Professor Jürgen Heß von der Universität Kassel. Unter den Mietern seien aber auch viele junge Familien. „Wenn sie selber die Möhre aus dem Boden ziehen, verändern Kinder ihre Einstellung zu Gemüse“, erklärt der Fachgebietsleiter für Ökologischen Land- und Pflanzenbau.
Heß hat das Unternehmen Tegut beraten, das „Saisongärten“ vermittelt. Die Miete fließe komplett an die Bauernhöfe, heißt es bei der Supermarktkette. Für Heß ist die Frage entscheidend, wer die Gewinne aus den Mietäckern bekommt. „Ich sehe das bei den Landwirten am besten aufgehoben.“
Allerdings ist es nicht damit getan, den Acker zu übergeben und Gießwasser bereitzustellen. Viele Gemüsefans sind Acker-Anfänger - mit unzähligen Fragen. Bei den „Saisongärten“ etwa verpflichtet sich der Landwirt zu einer Sprechstunde einmal pro Woche.
Beim Anbieter „ Ackerhelden“ übernimmt das Team des Essener Unternehmens die Beratung, es gibt eine Hotline und regelmäßige Newsletter. „Wir wollen den Menschen zeigen, wo ihr Essen herkommt“, sagt Mitbegründer Tobias Paulert. Dabei kooperiert die junge Firma mit dem Anbauverband Bioland. Dieser verspricht sich mit dem trendigen Auftreten der „Ackerhelden“ neue Zielgruppen jenseits der klassischen Bio-Kundschaft.
Nach Einschätzung des Deutschen Bauernverbandes sind Mietäcker allerdings lediglich für einzelne Landwirte ein Geschäftsfeld. Dies sei noch nicht mal eine Nische, da sich nur wenige Menschen dafür interessierten, erklärt Hans-Dieter Stallknecht vom Bundesausschuss Obst und Gemüse. „Eher geht es dabei wohl um eine bestimmte Lebensphilosophie.“ Auch seien die Versprechungen mancher Anbieter „mehr als zweifelhaft“, sowohl zum Ertrag als auch zu den Kosten. „Dann ist wohl ein Schrebergarten oder ein eigener Garten die bessere Wahl“, rät Stallknecht.
Manche Berufskollegen belächelten ihn wegen der Mietäcker, berichtet Biobauer Klaus Bird vom Hof Frohnenbruch in Kamp-Lintfort. Auch verdiene er nicht mehr, als wenn er die Fläche für den Biolandbau nutzen würde. Dennoch findet er das Angebot gut und will weiter mit den „Ackerhelden“ zusammenarbeiten.
„Die Flächensuche ist ein Nadelöhr“, sagt Max von Grafenstein, der in Berlin die „ Bauerngärten“ mit Bio-Siegel betreibt. Die Mieter dürfen dort, wie auf anderen Bio-Flächen, nur dann eigene Pflanzen setzen, wenn diese zertifiziert sind. „Da erleben die Kunden auch mal die restriktive Seite von Bio“, berichtet von Grafenstein. Landwirtschaft werde mit den Mietäckern transparenter, erklärt Heß. „Der Landwirt muss aber bereit sein, mit dem Verbraucher zu kommunizieren.“
Rechnet sich der Gemüsegarten für die Mieter? Nach einer Studie von Heß müsste eine vierköpfige Familie rund 500 Euro pro Saison im Supermarkt bezahlen, wenn sie zeitgleich zur Ernte das Gemüse in Bioqualität kauft. Ein Stück Mietacker sei bereits für weniger als die Hälfte zu haben. Allerdings muss man bei dieser Rechnung die Arbeitszeit auf dem Acker als Freizeit betrachten.
„Die Verbraucher erwarten bei diesem Konzept Bio“, sagt Heß. Auf dem Markt seien daher nur eine Handvoll konventionell bewirtschafteter Gärten, etwa bei „ Meine Ernte“. Hier ist Jörgen Bruder aus Bochum gemeinsam mit Freunden Kunde. „Wir wollten erstmal Erfahrungen sammeln, bevor wir uns eventuell einen Schrebergarten anschaffen“, erzählt er. Ob das Gemüse „Bio“ ist, sei für ihn eher zweitrangig. Bruder kam über sein Interesse am Kochen zum Selber-Anbauen. Mit einem Mietgarten lerne man nicht nur neue Gemüsesorten kennen wie die Pastinake, sondern auch, was man daraus machen kann.