Leiden für das Unerreichbare
Mit Schminke, Sport oder sogar Schönheits-OPs versuchen Frauen dem Schönheitsideal zu entsprechen.
Düsseldorf. Es hört sich gut an: "Ich mache mich für mich schön!" Dummerweise stimmt das häufig nicht. Denn tatsächlich hecheln die meisten Frauen - und immer mehr Männer - einem klar definierten Schönheitsideal hinterher. Das Versprechen dahinter: Wer mitmacht, wird geliebt, ist erfolgreich und glücklich. Dabei mögen wir die Superschönen eigentlich gar nicht.
Schön sein zu wollen, ist ein Urbedürfnis des Menschen, das sich evolutionsbiologisch erklären lässt, sagt der Fachbuchautor Prof. Winfried Menninghaus von der Freien Universität Berlin. Heute laufen die meisten aber einem Schönheitsideal hinterher, dem sie niemals entsprechen können. Jeder sehe in den Medien Modelkörper - der eigene Körper erscheine dagegen als Mängelwesen, das bearbeitet werden muss.
Heute geht es beim Sich-schön-machen gar nicht mehr um Schönheit, meint die Soziologin Waltraud Posch aus Graz. Eigentlich möchten sich die Menschen eine Identität erschaffen und in der Gesellschaft positionieren. Wer sich Falten wegspritzen lässt, wolle damit auch zeigen, dass er im Kopf nicht von gestern ist. "Körperliche Attraktivität gilt heute als eine Grundvoraussetzung eines am gesellschaftlichen Aufstieg orientierten Lebens", erklärt Posch. Wer jung und schlank ist, gelte eher als flexibel, wer natürlich aussieht, eher als glaubwürdig.
Zusätzlich wird Posch zufolge in der modernen Gesellschaft davon ausgegangen, dass jeder für das, was er tut, selbst verantwortlich ist. Da es zahlreiche Wege gibt, den Körper zu formen - Fitness-Studios, Kosmetik, Schönheitsoperationen - habe es jeder selbst in der Hand, sich zu optimieren.
Doch was gilt als schön? "Es gibt nicht viele verschiedene Schönheitsideale, sondern im Großen und Ganzen eines", sagt Posch. Und das laute: schlank, jugendlich, fit und authentisch. "Das Schönheitsideal ist gegenwärtig sehr starr", stimmt Prof. Nina Degele zu. "Ein Bundeskanzler wie Helmut Kohl wäre heute kaum mehr vermittelbar", führt die Soziologin von der Universität Freiburg aus.
Also strampeln die Menschen in Fitness-Studios und joggen durch Parks, um überflüssige Pfunde loszuwerden. "Den Körper zu formen, ist harte Arbeit", sagt Degele. Die nehmen viele Menschen in der Hoffnung auf Anerkennung offenbar gerne auf sich.
So wird aus der freien Entscheidung, sich schön zu machen, ein Zwang. Trotzdem erklären Frauen in Umfragen immer wieder, dass sie sich für sich zurechtmachen, weil sie sich dann wohler fühlen, schildert Degele. Doch woher rührt diese Unehrlichkeit? "Das Eingeständnis, sich für andere schön zu machen, käme für viele einer Bankrotterklärung gleich", erklärt Degele. Posch glaubt sogar, dass viele das gesellschaftliche Schönheitsbild so verinnerlicht haben, dass sie selbst glauben, ihm aus freien Stücken zu folgen.
Aber stimmt der Zusammenhang zwischen Schönheit, Erfolg und Glück überhaupt? Degele verweist auf Studien, nach denen schöne Menschen mehr Erfolg in der Liebe und im Beruf haben. Dagegen ist Mennighaus deutlich skeptischer - zumindest was die Frage des Glücks angeht. Untersuchungen hätten gezeigt, dass besonders gut aussehenden Menschen eher negative Charaktereigenschaften zugeschrieben werden. Und etwas schöner als der Durchschnitt zu sein, mache zwar glücklicher, "viel schöner zu sein aber offensichtlich nicht".