Verschwundene Post Das Paket ist weg – wer haftet?
MÜNSTER/DÜSSELDORF · Was ist, wenn die Post (angeblich) beim Nachbarn abgegeben wurde und dann verschwindet? Ein Fall und was die Verbraucherzentrale NRW dazu sagt.
Es ist ein Vorgang, den jeder kennt. Der jeden Tag passiert und der meist gut ausgeht. Aber manchmal eben nicht. Wenn nämlich ein Paket (angeblich) an einen Nachbarn zugestellt wird, dann aber nicht mehr auffindbar ist. Eben das hat jetzt Marlen Schmidt (Name geändert) leidvoll erfahren. Die Münsteranerin hatte bei einem großen Elektrofachhändler online ein Smartphone bestellt. Zum Preis von 772 Euro. Anfang September war das.
Der Fall: Als sie etwa acht Tage später immer noch nichts gehört hat, fragt sie per Mail beim Händler nach. Der teilt ihr mit, das Handy sei doch bereits zugestellt worden. Und zwar an einen Nachbarn im selben Haus. Marlen Schmidt, die keine Nachricht des Paketdienstes bekommen hatte, dass das Paket anderswo abgegeben worden sei, klingelt bei dem ihr vom Händler genannten Nachbarn. Der Mann, den sie bis dahin nur vom Sehen her kennt, versichert ihr, er habe keine Postsendung für sie angenommen. Eben das teilt Marlen Schmidt dem Händler mit. Woraufhin dieser sie auffordert, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, dass ihr das Paket nicht zugestellt wurde.
Sie gibt eine solche Erklärung ab - in der Hoffnung darauf, dass sie nun endlich ihr Handy bekommt. Aber der Händler stellt sich weiterhin quer. Er will weder das Smartphone liefern noch auf den Kaufpreis verzichten. Stattdessen schickt er ihr per Mail eine weitere Handlungsaufforderung. Darin heißt es: „Wir empfehlen Ihnen, bei der örtlichen Polizeibehörde eine Anzeige gegen Unbekannt zu erstatten. Schildern Sie der Polizei den Sachverhalt und legen Sie die DHL- Sendungsverfolgung und die Rechnung vor. Bitte schicken Sie uns eine Kopie dieser Anzeige. Seien Sie versichert, dass wir den Behörden für eine lückenlose Aufklärung des Sachverhalts zur Verfügung stehen.“
Das klingt ganz danach, also wolle sich der Händler unelegant aus der Verantwortung schleichen. Nach dem Motto: „Klären Sie das mal mithilfe der Polizei auf, wir stehen gern als Zeuge zur Verfügung.“ Dabei ist es genau umgekehrt. Es ist Sache des Händlers, sich um Aufklärung zu bemühen. Das bestätigt Iwona Husemann, Rechtsexpertin für kaufrechtliche Fragen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Für sie, das versichert die Juristin seufzend, gehören solche Fälle und auch das entsprechende Händlerverhalten zum Alltag.
Die Rechtslage: Schon das Ansinnen, die Verbraucherin solle eine eidesstattliche Versicherung unterschreiben und damit versichern, dass sie etwas nicht bekommen habe, sei „völliger Humbug“. Ebenso sei es nicht Sache der Käuferin, zur Polizei zu gehen. Rechtsanwältin Iwona Husemann: „Die Polizei würde Frau Schmidt wieder wegschicken, weil sie ja gar nicht die Geschädigte ist.“ Marlen Schmidt ergänzt: „Auch wenn ich eine Strafanzeige gegen Unbekannt stelle, so wirkt es am Ende doch so, als wenn ich meinem Nachbarn nicht glaube, dass er das Paket nicht angenommen hat. Und dass ich ihn der Unterschlagung verdächtige.“
Rechtlich geht es bei diesen Fällen um die Frage des sogenannten Gefahrübergangs. Damit bezeichnen Juristen den Zeitpunkt, in dem die Verantwortlichkeit für das gekaufte Produkt und auch dafür, dass es eventuell beschädigt wird oder gar spurlos verschwindet, auf den Käufer übergeht. Ab dann müsste er zahlen. Nach den gesetzlichen Regeln ist der Zeitpunkt dieses Gefahrübergangs die Übergabe an den Käufer.
Die Frage ist freilich, ob eine solche Übergabe schon dann anzunehmen ist, wenn das Paket an den Nachbarn geliefert wird - wie angeblich in diesem Fall. Der Grundsatz: Nimmt ein Nachbar die Sendung an und geht sie verloren, so kann dies nicht zulasten des Käufers gehen. Der Käufer darf nicht so behandelt werden, als sei das Paket ihm zugestellt worden. Anders kann es jedoch sein, wenn der Käufer einem Nachbarn eine Vollmacht zur Entgegennahme gegeben hat. Dann könnte sich der Händler sehr wohl darauf berufen, dass zugestellt wurde. Denn dann gäbe es ja einen autorisierten „Empfangsboten“. Hier war es aber nicht so. Marlen Schmidt hatte weder einen Nachbarn bevollmächtigt, noch hatte sie überhaupt einen Zettel im Briefkasten, dass das Paket beim Nachbarn liege.
Verbraucheranwältin Iwona Husemann sagt: „Es ist eine Sache, die zwischen dem Händler und seinem Zustelldienst geklärt werden muss.“ Hier liege der Schaden. Die Verbraucherin habe in diesem Fall zwar kein Recht auf Lieferung des bestellten Handys mehr, aber sie müsse auch nicht bezahlen.
Was tun? Husemann sieht die faktische Schwierigkeit, das die Kundin, auch wenn sie im Recht ist, ja nun irgendwie wieder an ihr Geld kommen will. Ein Problem ist dies vor allem, wenn die Verbraucherin in Vorkasse gegangen ist. Wovon Verbraucherschützer ja immer wieder abraten. Denn dann müsste sie sich, gegebenenfalls per zivilrechtlicher Klage, das überwiesene Geld zurückholen. Aber selbst dann hätte ein solcher Prozess aus Verbrauchersicht „rosige Aussichten“, wie Husemann sagt.
Trotzdem sei das natürlich mit Aufwand und Unsicherheit verbunden. Besser sei die Position des Verbrauchers, wenn er oder sie per Lastschrift, Kreditkarte oder Paypal die Zahlung angewiesen hat. Hier lässt sich das Geld innerhalb bestimmter Fristen zur Rücküberweisung anfordern. Weil Marlen Schmidt mit Kreditkarte bezahlt hatte, kann sie so verfahren. Und der Schaden bleibt an demjenigen hängen, der ihn rechtlich zu tragen hat. Nämlich am Händler, der seinerseits eventuell den Zusteller in Regress nehmen kann. Oder aber sich gegebenenfalls an den Nachbarn hält, wenn er bei diesem unlauteres Verhalten vermutet.
Apropos Nachbar: Wie ist es generell, wenn man so freundlich ist, Pakete für andere anzunehmen? Grundsätzlich muss das niemand tun. Wer es aber macht, muss die Post dann auch sorgfältig aufbewahren und nicht etwa nur dem Empfänger im Hausflur vor die Tür stellen. Dann muss der Nachbar bei Verlust gegebenenfalls für den Schaden aufkommen.