Probiotische Joghurts ersetzen keine ausgewogene Kost
Produkte mit Zusätzen können eine ungesunde Lebensweise nicht ausgleichen.
Karlsruhe. Es klingt praktisch: mit ein paar Löffeln Joghurt den Darm gesund halten, mit der richtigen Margarine den Cholesterinspiegel senken und durch die spezielle Salami ein paar Vitamine zusätzlich tanken. Solche verzehrfertigen Lebensmittel mit Zusatznutzen - neudeutsch "Functional Food" genannt - gibt es mittlerweile in jedem Supermarkt. Und das Angebot wächst stetig: Schätzungen zufolge wird spätestens im kommenden Jahr jedes vierte Produkt mit funktionellen Zusätzen angereichert sein. Wer braucht da noch frisches Obst und Gemüse?
"Als funktionelle Lebensmittel versteht man Lebensmittel, die über ihren reinen Nährwertcharakter hinaus eine positive gesundheitliche Wirkung haben sollen", erläutert Prof. Gerhard Rechkemmer, Präsident des Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe. Gedacht seien sie vor allem für Menschen, die zusätzlich etwas für ihre Gesundheit tun wollen.
Functional Food sei aber nichts für Bequeme, so Rechkemmer. Es ersetze weder eine ausgewogene Ernährung noch könne es einen ungesunden Lebensstil kompensieren. "Es ist grundsätzlich möglich, sich ohne funktionelle Lebensmittel gesund zu ernähren", urteilt die Ernährungswissenschaftlerin Annette Sabersky. Aus Rechkemmers Sicht spricht aber nichts gegen die Produkte, wenn ihre Wirkung "seriös wissenschaftlich" untermauert ist.
Doch auch das sehen manche Experten skeptisch. Sabersky bemängelt, dass nicht genügend aussagekräftige Studien vorliegen. Meist seien es herstellereigene Untersuchungen. Und die wenigen unabhängigen Studien beruhten nicht auf verzehrten Lebensmitteln, sondern auf Tabletten, die Probanden zu sich nahmen.
Die bekanntesten und ältesten Beispiele für Functional Food sind probiotische Milchprodukte, allen voran Joghurts. Sie enthalten meist sogenannte Lactobazillen, also Milchsäurebakterien. "Sie sollen, je nach Keim, das Immunsystem stärken und die Verdauung in Schwung setzen", erklärt Sabersky. Von der Idee her sei das nicht schlecht. So sei bekannt, dass der Verzehr bestimmter Bakterienstämme die Durchfallrate und -dauer bei Kindern senken kann.
Doch auch normaler Naturjoghurt enthält solche Keime - wenn auch nicht in ganz so großer Anzahl wie sein um etwa 30 Prozent teureres probiotisches Pendant.