Keine Panik ohne Rudelführer: Hunde können Alleinbleiben lernen
Düsseldorf (dpa/tmn) - Zerstörte Sachen, Jaulen oder die Pinkelpfütze im Flur: Hunde machen meist sehr deutlich, wenn ihnen das Alleinsein stinkt. Doch langsam und mit Leckerlis bestochen, ertragen die meisten Tiere ihr Hundeleben auch solo.
Angeknabberte Tischbeine, zerfetzte Kissen und zerkratzte Türen: Können Hunde nicht alleine zu Hause bleiben, finden Besitzer ihre Wohnung oft verwüstet vor. Oder die Nachbarn beschweren sich über anhaltendes Jaulen und Bellen. Nicht nur Welpen müssen daran gewöhnt werden, zeitweise von ihren Besitzern getrennt zu sein. Auch Vierbeiner, die nie gelernt haben alleine zu bleiben oder schlechte Erfahrungen damit verbinden, leiden unter Trennungsangst.
Doch mit einfachen Schritten und genügend Ausdauer kann jeder Hund lernen, ein paar Stunden ohne Herrchen und Frauchen auszukommen.
„Trennungsangst ist ein Verhaltensproblem, das vor allem bei Hunden auftritt, die keine korrekte Ablösungsphase durchlebt haben“, erzählt Sonja Schmitt. Sie ist Tierärztin und Mitglied im Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltenstherapeuten (BHV) im hessischen Waldems-Esch. Oft münde diese Angst in Zerstörungswut. „Meistens machen die Tiere Gegenstände kaputt, die den Geruch ihrer Besitzer tragen“, sagt Celina del Amo, Tierärztin und Verhaltenstherapeutin aus Düsseldorf.
Es könne aber auch passieren, dass die Hunde ihr Geschäft im Haus verrichten, erbrechen, stark speicheln oder hektisch durch die Räume laufen. Übermäßiges Jaulen, Bellen und Winseln gehören ebenfalls zu den unerwünschten Verhaltensweisen, ergänzt Schmitt.
„Alle Hunde haben je nach Veranlagung einen unterschiedlich ausgeprägten Meutetrieb und wollen daher beim Rudel bleiben“, erläutert Ann Kari Sieme von der Organisation Aktion Tier in Berlin. Besonders sensible Vierbeiner neigen sogar zu Depressionen und resignieren nach einer Weile. „Dann nehmen die Tiere beispielsweise Kleidungsstücke und ziehen sich damit in ihr Körbchen zurück“, sagt Sieme.
Sind Besitzer daheim, folgen ihnen Hunde mit Trennungsangst auf Schritt und Tritt. „Das geht teilweise so weit, dass sie ihren Halter bis ins Badezimmer begleiten wollen“, sagt Schmitt. Außerdem lieben diese Hunde ganz besonders den Körperkontakt zu ihrer Bezugsperson und schlafen oft mit im Bett.
Betroffen sind vor allem Vierbeiner, die schlechte Erfahrungen mit dem Alleinsein gemacht haben - beispielsweise Tierheimhunde, die ausgesetzt wurden. „Andere entwickeln Trennungsängste nach Situationen, in denen ihre Besitzer über längere Zeit mit ihnen zusammen waren, zum Beispiel nach dem Urlaub oder einer längeren Krankheit“, sagt Schmitt.
Am besten gewöhnen Halter ihren Vierbeiner in ganz kleinen Schritten an das Alleinbleiben. „Der Besitzer verlässt dann zunächst für wenige Minuten oder sogar Sekunden den Raum“, erklärt del Amo. Der Zeitraum könne dann nach und nach gesteigert werden. Damit den Tieren das Alleinbleiben leichter fällt, sollten sie zur Ablenkung körperlich und geistig beschäftigt werden - denn auch aus Langeweile neigen manche Hunde dazu, Gegenstände zu zerstören.
Eine Möglichkeit sei, ihnen etwas zum Kauen zu geben, rät Sieme: „Wenn die Halter ihren Tieren vor dem Verlassen des Hauses einen Kauknochen oder ein mit Futter gefülltes Intelligenzspielzeug geben, sind sie für 15 bis 30 Minuten abgelenkt.“ Gelangen die Hunde dann an das Futter, sei das gleichzeitig ein Erfolgserlebnis, das sie selbstsicherer macht. Schließlich sind meist unsichere Hunde von Trennungsangst betroffen.
Schmitt rät Haltern außerdem, Rituale vor dem Verlassen des Hauses zu ändern. So soll sich der Hund nicht auf eine bestimmte Reihenfolge einschießen können: „Der Besitzer kann beispielsweise zuerst die Schuhe anziehen und anschließend nochmal ins Badezimmer gehen.“ Geht der Halter dann ohne sein Tier aus dem Haus, verbindet der Hund solche Rituale nicht mehr mit dem Alleinbleiben. Auch Verabschiedungen und Begrüßungen sollten Schmitt zufolge nicht zu überschwänglich, sondern eher ruhig ablaufen.
Tatsächlich sei es möglich, Hunde aller Altersklassen daran zu gewöhnen, sich alleine sicher und geborgen zu fühlen, sagt del Amo. „Bei Jungtieren sollte das nach wenigen Wochen kein Problem mehr sein, bei älteren Hunden kostet das Training mehr Zeit.“ Welpen und ältere Tiere könnten laut Schmitt ohnehin nicht allzu lange alleingelassen werden, da sie häufiger ihr Geschäft erledigen müssen.
Laut del Amo sollten Vierbeiner keinesfalls länger als vier Stunden alleine bleiben - und wenn die Besitzer doch länger unterwegs sind, empfiehlt die Tierärztin einen Hundesitter.