Was ist gentechnisch verändert?
Lebensmittel: Die Anbaufläche für Gen-Mais wächst, obwohl die meisten Verbraucher Gen-Produkte ablehnen.
Brüssel. Der Streit um den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Europa wird kommende Woche bei der UN-Konferenz für biologische Vielfalt in Bonn ein Hauptthema sein. Wir haben eine Bilanz für die 27 EU-Staaten gezogen.
Fazit: In der Bevölkerung der meisten EU-Länder wächst die Ablehnung gegen diese Organismen (GVO) und mit ihr - paradoxerweise - die Anbaufläche für Gen-Mais und die Einfuhr von gentechnisch veränderten Sojabohnen.
Genmanipulierte Kartoffeln, Rüben, Raps, Bohnen und Chicoree-Salat finden sich dagegen in Europa kaum, in den USA und anderen Staaten allerdings immer häufiger Für manipulierte Äpfel, mit einem eingebauten Gift gegen Pilzbefall, wurden europaweit bis 2007 erst neun Feldversuche unternommen.
Auch deutsche Versuche, Wein resistenter zu machen, endeten bislang ergebnislos. Die einst Aufsehen erregende Antimatsch-Tomate ist derweil in ganz Europa in der Versenkung verschwunden. Zugleich wächst seit 2007 wieder die Zahl an Anträgen auf Zulassung von Gen-Pflanzen in Europa, darunter Kartoffeln. Es gibt Zulassungsanträge von Firmen wie Monsanto, Syngenta, BayerCrop Science oder Pioneer Hi-Bred.
Und die Anbaufläche für gentechnisch veränderten Mais wächst rasant. In Spanien etwa wurden im Jahr 2006 noch 54000 Hektar Gen-Mais gepflanzt, 2007 waren es bereits 75000 Hektar Mais, die als Futter für Rinder, Schweine, Hühner und andere Nutztiere in Europa eingesetzt werden.
Auch französische Bauern kaufen von den Saatgut-Herstellern immer mehr ein: Die Fläche für Mais wurde innerhalb des vergangenen Jahres vervierfacht, sie wuchs von 5000 auf 21.200 Hektar. Auch deutsche Landwirte verdreifachten zwischen 2006 und 2007 die Anbaufläche auf 2700 Hektar.
Für diese Aussaat sind drei gentechnisch manipulierte Maissorten seit zehn Jahren EU-weit zugelassen, die Firmen haben ihren Sorten Kürzel gegeben: Bt176, Mon810 oder T25. EU-weit explodierte damit die Anbaufläche von 62000 Hektar auf knapp 110000 Hektar, alleine in Spanien, Frankreich, Tschechien, Portugal, Deutschland und der Slowakei. 180 Regionen und 3500 Städte und Gemeinden haben sich derweil als gentechnikfrei erklärt.
Ungeachtet dessen importieren die 27 EU-Staaten derzeit jährlich rund 38 Millionen Tonnen gentechnisch manipulierte Sojabohnen und Sojamehl aus den USA, Brasilien und Argentinien zur Verfütterung für die Fleischproduktion.
Inzwischen fordert Finnlands Regierung, das Fleisch solcher Tiere müsse entsprechend etikettiert werden. Weizen und andere Getreidearten für Mehl und Brot werden dagegen weder in den USA, noch in Europa in gentechnisch manipulierter Form abgebaut.
Der Hauptanteil gentechnisch veränderter Produkte, die Menschen in Europa essen, betreffen Lebensmittelzusatzstoffe, darunter Sojaöl in Margarine und Mayonnaise, Lezithin in Schokoprodukten und Desserts, Soja-Proteine in Tütensuppen. Aber auch Vitamin C (E300), Vitamin B2 (als Farbstoff), Verdickungsmittel wie Xantan (E415), der Geschmacksverstärker Glutamat (E621) oder der Süßstoff Aspartam (E951) werden mit Hilfe von EU-weit genehmigten genmanipulierten Mikroorganismen hergestellt.
In "20.000 bis 30.000 Produkten, die am Donnerstag auf dem Markt sind", seien solche Zusatzstoffe in der EU präsent, schätzen Experten von "GMO Compass". Sie betreiben eine Informationsstelle, die von der Brüsseler EU-Kommission und von EuropaBio, einer Lobbyorganisation der Gentechnik-Branche, gemeinsam finanziert wird.