Die neue Angst vor dem Sommer am Ballermann

Palma de Mallorca (dpa) - Mallorca erwartet für den kommenden Sommer einen neuen Besucherrekord. Doch bei den Ladenbesitzern und Hotelbetreibern am Ballermann geht trotzdem die Angst vor der Hauptsaison um.

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Schuld sind die Richter am Oberen Gericht der Balearen, die vor wenigen Tagen die 2014 mit Pauken und Trompeten eingeführten „Benimmregeln“ für die Playa de Palma mit sofortiger Wirkung gekippt haben. „Im Rahmen dieser Verordnung waren für uns doch so wichtige Punkte wie der illegale Handel, Straßenvandalismus und Graffiti bekämpft worden“, klagt etwa der Präsident des Handelsverbandes Pimeco, Bernat Coll.

Die „Verordnung für ein zivilisiertes Zusammenleben“ hatte im Hauptstadtbezirk der spanischen Urlaubsinsel nicht nur Trinkgelage wie das berüchtigte „Eimersaufen“, sondern unter anderem auch Lärmbelästigung, das Tragen von Badekleidung abseits der Strände, das öffentliche Pinkeln und Spucken, „aggressives Betteln“ sowie das Ansprechen von Prostituierten unter Strafe gestellt. Der 113 Artikel umfassende Benimm-Katalog, der auch gegen Strandmasseure und Hütchenspieler gerichtet war, war eines der Vorzeige-Projekte der inzwischen abgewählten konservativen Stadtverwaltung.

So richtig zufrieden stellte die Umsetzung der Verordnung zwar auch die Befürworter nicht. Tourismus-Urgestein Francisco Marín, der den Ballermann wie kaum ein Zweiter kennt, sagte aber, das sei nach den vielen Horrorberichten vor allem in den deutschen Medien „der einzige Weg“ gewesen, „um das Image der Playa zu verbessern“. „Es gibt keine andere Lösung. Entweder man setzt der Kleinkriminalität Grenzen und zivilisiert den hiesigen Partytourismus, oder wir werden alle zusammen ein schlechtes Ende nehmen“, warnte der Chef des Hotelverbandes an der berühmten Vergnügungsmeile in einem Interview des „Mallorca Magazins“.

Marín, Coll & Co. fürchten nun nicht nur Chaos auf dem Ballermann, sondern auch ein Wiederaufleben der Negativberichte über das „17. Bundesland“, die in Deutschland vor allem im Sommer 2013 aufflammten. Damals titelte der „Stern“ mit den „Dunklen Seiten der Ferieninsel“, und andere Blätter schrieben etwa über „Glücksritter, Gescheiterte, Billigprostituierte und organisierte Banden“, die die Playa „nach Sonnenuntergang beherrschen“.

Jürgen (28), der seit Jahren zwischen Mallorca und Bremen pendelt und auf der Insel kellnert, sagt: „Diese Berichte waren zwar etwas übertrieben, aber es war damals schon schlimm hier. Dank der Benimmregeln ist es etwas besser geworden, fast alle waren mehr oder weniger zufrieden damit“. Aber eben nur fast alle. Den linken Parteien, die seit Mitte 2015 Palma regieren, und auch einigen Organisationen war die städtische Verordnung, die Bußgelder zwischen 50 und 600 Euro vorsah, ein Dorn im Auge: Sie stelle einen „Angriff auf die Grundrechte der Menschen“ dar, hieß es.

Den Konservativen wurde vorgeworfen, soziale Probleme mit Polizeigewalt lösen zu wollen. Nicht nur die wildesten Touristen würden ins Visier genommen, sondern auch und vor allem „die Schwachen der Gesellschaft“, wie Prostituierte, Obdachlose und Straßenkünstler. Von einer „Reise zurück in die Franco-Diktatur“ war sogar die Rede. Ein Anwohnerverband hatte gegen die „Ordenanza“ geklagt, und die Richter hoben die Verordnung wegen „fehlender Zuständigkeit“ der Stadtverwaltung jetzt auf.

Der Präsident des Anwohnerverbandes, Joan Forteza, jubelte nach Bekanntgabe des Urteils: „Die Verordnung war sehr repressiv. Die Entscheidung des Gerichts erlaubt es den Einwohnern Palmas, wieder frische Luft in den Straßen zu atmen.“ Auch Straßenmusiker Pedro (26) atmet auf. „Gegen uns sind die Bullen sogar mit Schlagstöcken vorgegangen. Ein Unding, das ist aber jetzt hoffentlich vorbei.“

Der sozialistische Bürgermeister José Hila, der die Benimmregeln ohnehin annullieren wollte, will das Urteil nicht anfechten. Er muss aber nun prüfen lassen, was mit den 18 000 im Rahmen der Verordnung eingeleiteten Verfahren geschehen soll. Und, wie Exzesse mit den vorhandenen Gesetzen zu verhindern sind. Die gemeinschaftlichen Besäufnisse aus den blauen Eimern würden auf jeden Fall weiter tabu sein, versicherte eine Rathaussprecherin.

Andere sehen derweil größere Probleme als Saufeimer auf die Insel zukommen. Selbst mit den Benimmregeln hatte es im vorigen Sommer am Ballermann „Kriegsszenen“ gegeben. Etwa bei einem Zusammenstoß zwischen deutschen Touristen und afrikanischen Straßenhändlern, als minutenlang Biergläser und Kneipenstühle durch die Luft flogen. Hotelierchef Marín warnt nun, die alten Gesetze seien für den Ballermann „zu light“. Und Kolumnistin Francesca Jaume fragte in der Digitalzeitung „Mallorcadiario“ rhetorisch: „Ist es zu viel verlangt, ungestört auf die Straßen gehen zu können?“

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