Borneo: Das Paradies trägt große Narben

Die drittgrößte Insel der Welt birgt einen riesigen Naturschatz, der aber akut von Palmöl-Plantagen, Gold- und Diamantenminen bedroht ist. Doch Naturbeobachtungen in den dichten Wäldern am Fluss bleiben ein einzigartiges Erlebnis.

Magische Momente: Auf dem Weg vom Fressplatz zum Boot zeigt sich kurz ein junger Orang—Utan, um danach rasch wieder im üppigen Grün zu verschwinden.

Foto: Ilka Jaroch

Borneo. Erwartungsvolle Blicke und gezückte Kameras richten sich auf die Holzplattform inmitten der Lichtung, auf der von Helfern gerade Bananen verteilt werden. Ringsherum im Urwald knackt es im Geäst, und doch sorgt der achtjährige Roger für einen kurzen Schreck, als er unerwartet hinter der wartenden Menge aus dem Gebüsch hervortritt und zur Plattform schreitet. Er greift sich einige Bananen und verschwindet rasch wieder im üppigen Grün, denn Gondol, ein größeres und älteres Männchen, rückt an und setzt sich mitten vor den Obsthaufen.

Blick vom Holzboot auf den Anleger zum National Park. Joe Bowo warlange Jahre Park Ranger und kennt den Wald wie seine Westentasche.

Foto: Ilka Jaroch

Von einem Baum herab hangelt sich Galuh, die ihr zweijähriges Baby Galih trägt. Sie darf sich ebenfalls bedienen, zieht es jedoch vor, mit vollgestopftem Mund und weiteren Bananen in einer Hand in den Baumwipfeln zu verschwinden.

Foto: Ilka Jaroch

Orang-Utans sind Einzelgänger, und ihre Fortpflanzungsrate ist niedrig — die Babys bleiben acht bis neun Jahre bei der Mutter, sie bekommt frühestens nach fünf Jahren ein neues Baby. Die Orang-Utans in den Auswilderungs- und Forschungsstationen wie Camp Leaky oder Camp Tanjung Harapan müssen erst noch lernen, das Nahrungsangebot des Urwalds zu nutzen. Bis dahin werden sie mit Bananen gefüttert, wie sie es in Gefangenschaft gelernt haben, auch wenn diese importiert werden müssen.

Von den insgesamt noch 13 000 Orang-Utans Borneos leben rund 6000 im Tanjung Puting Nationalpark im Süden Kalimantans, 73 Prozent sind Wilde, der Rest Waisen. Die Mütter dieser Waisen wurden häufig von Plantagenarbeitern getötet, da sie in Ermangelung geeigneter Nahrung in den schrumpfenden Wäldern auf die Palmöl-Felder ziehen und die Bepflanzung zerstören.

All dieses Elend scheint weit weg, wenn man auf einem komfortablen Hausboot, dem sogenannten Klotok, gemächlich den Fluss entlang tuckert. Die herzliche Atmosphäre und das wunderbare Essen tun ihr Übriges. Mit etwas Glück sieht man Krokodile, Nasenaffen und bunte Vögel im Uferbereich. Ein besonderes Schauspiel sind an einigen Stellen Millionen von Glühwürmchen, die nachts ihren Leuchttanz vollführen.

Doch die Idylle täuscht. Das Wasser des großen Sekonyer Flusses ist durch eine uralte Goldmine einige Stunden weiter flussaufwärts mit Quecksilber und anderen hochgiftigen Substanzen verseucht. Und die ersten Palmöl-Plantagen, für die wertvoller Urwald gerodet wurde, beginnen teilweise nur wenige hundert Meter vom Flussbett entfernt. Doch je weiter man in den Urwald eindringt, den kleineren, verschlungenen Flussläufen folgt, umso üppiger wuchert das satte Grün, manchmal muss der Motor abgestellt werden und es geht nur stakend weiter. In diesen Momenten oder auch nachts an Deck, unter Moskitonetzen, erfüllt ein auf- und abschwellendes Summen aus Tierlauten die Luft, das einem schier den Atem raubt.

Abgesehen von Plantagen für Palmöl wurde großflächig Regenwald für Reisfelder gerodet, doch der Boden war zu schlecht. Auf einigen dieser Flächen wird Wiederaufforstung betrieben. Jeder Tourist kann für 50 000 Rupiah, knapp fünf Euro, einen Baum pflanzen — Stichwort ökologischer Fußabdruck.

Pak Ledah, Ranger einer Wiederaufforstungsstation, hält hunderte Setzlinge bereit. Viele werden Früchte tragen, die den Orang-Utans auch schmecken.