Das Ende vom „Rock“: Vor 50 Jahren wurde Alcatraz geschlossen

San Francisco (dpa) - Gangster wie Al Capone machten Alcatraz berühmt. Vor 50 Jahren endete der Mythos vom „Rock“, die letzten 27 Häftlinge wurden verlegt. Heute ist die Gefängnis-Insel vor San Francisco eine Touristenattraktion.

Noch heute ist auf einer Tafel im Speisesaal des Alcatraz-Gefängnisses zu lesen, was die letzten Häftlinge serviert bekamen: Rühreier, Cornflakes, Toast und Kaffee standen am 21. März 1963 unter anderem auf dem Plan. Nach dem Frühstück wurden die letzten 27 Häftlinge mit Hand- und Fußschellen gefesselt von dem berüchtigten „Rock“ in der Bucht von San Francisco in andere Gefängnisse verfrachtet.

Die Schließung von Alcatraz war ein Medienspektakel, erzählt Alexandra Picavet, Sprecherin der Nationalen Parkbehörde in San Francisco. „Außer den Gefangenen und Wärtern hatte bis dahin niemand die Anstalt von innen gesehen, keine Frauen, keine Journalisten, keine Kinder.“ 29 Jahre lang war Alcatraz der Verbannungsort für die „Schlimmsten der Schlimmsten“.

Es war ein besonders ausbruchsicheres Zuchthaus für Schwerverbrecher wie Al Capone, George „Machine Gun“ Kelly, Alvin „Creepy“ Karpis und Robert Stroud, den legendären Vogelmann von Alcatraz.

Die Insel war die letzte Station für Unruhestifter und Ausbrecherkönige. Jeder hatte eine Nummer, hinter 1576 Männern schlossen sich die Gittertüren zu den kleinen Zellen. Allerdings saßen zur gleichen Zeit nie mehr als 300 Gefangene ein. Viele Wärter lebten mit ihren Familien auf der kargen Felsinsel, zeitweise mit 50 Kindern.

Längst steht der „Rock“ - also der Fels - als Museum und als Brutstätte für viele Vögel unter Denkmal- und Naturschutz. Inzwischen lockt das ehemalige Gefängnis jährlich mehr als 1,4 Millionen Besucher aus aller Welt. „Alcatraz ist die berüchtigtste Insel der Welt“ - so tönt es aus dem Lautsprecher auf der Fähre, mit der die Besucher von San Francisco übersetzen. Die Fahrt dauert nur eine Viertelstunde, aber zur Einstimmung gibt es schon viele schauerliche Storys. Im Sommer sind die Touren oft wochenlang ausgebucht.

Auch für den 50. Jahrestag der Schließung am 21. März waren die Tickets schnell vergriffen. Die Parkbehörde hatte ehemalige Wärter und einen der wenigen noch lebenden Ex-Häftlinge eingeladen. Zudem sollte eine Ausstellung mit nie zuvor gezeigten Fotos vom Abtransport der letzten Insassen 1963 eröffnet werden.

Gründe für das Ende von Alcatraz gab es genug. Die Betriebskosten waren zu hoch geworden, die Lebensbedingungen als unmenschlich in die Kritik geraten.

Wasser und Verpflegung mussten per Boot auf die Insel gebracht werden. In der harschen Seeluft verfielen die alten Gebäude mehr und mehr. „Vom ersten Tag an, als das Bundesgefängnis 1934 in Betrieb genommen wurde, dachte man über die Schließung nach“, erzählt Picavet. Zudem bröckelte der Mythos vom fluchtsicheren Zuchthaus ab.

Im Juni 1962 war einem Trio ein spektakulärer Ausbruch gelungen. Mit Löffeln und einem improvisierten Bohrer gruben sich die Männer durch Mauern und Belüftungsschächte. Bis heute fehlt von ihnen jede Spur. Die Justizbehörden sind überzeugt, dass sie im eiskalten Wasser mit seinen gefährlichen Strömungen ertranken und ihre Leichen unter der Golden-Gate-Brücke hinweg in den Pazifik trieben.

Im Laufe der Jahre versuchten etwa 40 Gefangene, zu entkommen. Die meisten wurden gefasst, einige auf der Flucht erschossen, andere ertranken. Nur in fünf Fällen blieb ihr Schicksal im Dunkeln. Die kalten, monotonen Zellenblocks mit verrosteten Gittertüren sorgen heute noch für Gänsehaut. Jeder sollte sich diesen Ort zur Abschreckung anschauen, empfahl der frühere Häftling Darwin Coon 2006 bei einem „Klassentreffen“ mit Wärtern und ehemaligen Insassen.

1959 wurde der hartgesottene Bankräuber auf das Eiland verbannt, 1963 erlebte er die Schließung mit. „29 Tage im Block D, in einer bitterkalten Dunkelzelle ohne einen Lichtstrahl“ waren Coons schlimmste Erinnerung.

Er schrieb später ein Buch über seine Haft und lebte zeitweise in San Francisco. „Es ist eindeutig besser, von hier auf die Insel zu schauen, als umgekehrt der Blick aus der Zelle auf die Stadt“, sagte er 2006. Bis zu seinem Tod vor zwei Jahren kehrte Coon als Redner und Touristenführer häufig an den einst verhassten Ort zurück.