Ein Jahr Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen - Tourismus im Aufwind

Bingen/Rüdesheim (dpa) - Fast ein Jahrtausend dauerte es, bis 2012 Hildegard von Bingen eine Heilige und eine Kirchenlehrerin wurde. Ihre alten Wirkungsorte feierten. Ein Jahr später ist der dortige Tourismus zuversichtlich.

2012 war das Jahr der Hildegard von Bingen. Nachdem der damalige Papst Benedikt XVI. sie im Mai heiliggesprochen hatte, ernannte er sie am 7. Oktober zur Kirchenlehrerin, als eine von bloß 33 in der katholischen Kirche. Mehr als 900 Jahre nach ihrer Geburt und ein Jahr nach ihrer großen Ehrung hilft die Theologin, Musikerin, Mystikerin und Heilerin (1098-1179) immer noch - nämlich dem Tourismus in ihrer alten Heimat.

Bingen hat seinen mittelalterlichen Star als Reise-Magneten erkannt. Jedes Jahr feiert die Stadt am Rhein den „Hildegard-Herbst“ mit Führungen, Lesungen und Konzerten. „Das Thema Hildegard von Bingen lockt wirklich mehr Interessenten“, sagt Dieter Glaab, Leiter der örtlichen Tourist-Info. Das Interesse sei etwa an der Rochuskapelle zu spüren, wo ihr ein Altarbild geweiht ist. Auch die Broschüre zum Hildegard-Weg, der zu den Wirkungsstätten der Heiligen in der Stadt führt, werde neu aufgelegt.

Rad-, Wander- und Veranstaltungstouristen liefen den Hildegard-Fans zwar immer noch den Rang ab, erklärt Glaab. „Aber die Nische wird stärker und stärker.“ Daher wolle die Stadt das Thema Hildegard weiter betonen. Insgesamt habe Bingen dieses Jahr mehr Übernachtungen verbucht - das könne aber nicht eindeutig der Heiligsprechung zugeordnet werden, sagt Glaab.

Auch das Museum am Strom in Bingen hat sich Hildegard verschrieben und lockt mit einer Dauerausstellung. „Es ist sehr deutlich, dass die Nachfrage groß ist“, bestätigt Museumschef Matthias Schmandt. Die Heiligsprechung habe vor allem mehr Anfragen von kirchlichen Gruppen beschert. Mitarbeiter Axel Jung ergänzt, auch die Zahl der Schulklassen habe zugenommen, gerade aus weiter entfernten Städten. Rund 18 000 Besucher werden 2013 wieder insgesamt kommen, schätzt er - genaue Zahlen für den Sommer gibt es noch nicht. „Es ist immer so viel los, ich komme gar nicht dazu, Statistiken zu machen.“

Rund 1200 Besucher hat das Hildegardisfest dieses Jahr auf die andere Rheinseite ins hessische Rüdesheim gezogen. Die Pfarrei im Stadtteil Eibingen feiert den Todestag am 17. September traditionell mit Gottesdienst und Prozession, dieses Jahr mit dem Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Vor allem an der Zahl der ausländischen Besucher, die teils aus Dänemark und den USA gekommen seien, zeige sich die steigende Beliebtheit des Fests, sagt Rolf Wölfert, Leiter der Tourist-Info Rüdesheim. „Die Wahrnehmung im Ausland ist gestiegen.“

In Eibingen hatte Hildegard ein Kloster gegründet, auf dessen Grundfesten heute die Kirche der Pfarrei steht. Die neuere Benediktinerinnen-Abtei trägt ihren Namen. Hier planen die Schwestern Großes, wie Wölfert berichtet: eine Gaststätte, die „Hildegard-Rast“, und eine neue Ausstellung.

Aber auch in Rüdesheim gilt: Einen großen statistisch messbaren Aufschwung hat es seit dem vergangenen Jahr noch nicht gegeben. „Das Thema Hildegard muss langfristig entwickelt werden. Wir haben die Aufmerksamkeit, jetzt muss Geld investiert werden“, erklärt Wölfert. Generell seien nur sechs Prozent der Touristen Kulturreisende. Das Thema Hildegard habe aber einen Verstärkungseffekt auf Gäste, die wie nach Bingen aus anderen Gründen nach Rüdesheim kämen. Daher kündigten Wölfert und sein Binger Kollege Glaab eine verstärkte Zusammenarbeit beider Städte an. Die gemeinsame Internetseite Landderhildegard.de weist bereits auf Termine hin und bietet Informationen über Hildegards Leben im Mittelalter.

Doch auch außerhalb der Tourismuszentren hat Hildegard Spuren hinterlassen. Weiter oben am Lauf der Nahe thronen die Ruinen eines Klosters auf dem Disibodenberg. Hier hat Hildegard den Großteil ihres Lebens verbracht und ihr erstes theologisches Werk begonnen. Die Überreste des Klosters und das angegliederte Museum ziehen auch heute noch Besucher an. Im Jahr kommen rund 12 000 Gäste, schätzt Matthias Adams, Vorstand der Stiftung, die sich um die Ruinen kümmert.

Einen Anstieg sieht er aber nicht. „Ich glaube nicht, dass die Heiligsprechung und die Ernennung zur Kirchenlehrerin einen Run ausgelöst haben“, sagt er. Allerdings: Die Gäste kämen fast ausschließlich wegen Hildegard, ergänzt Co-Vorstand Luise von Racknitz-Adams. Einen Boom wie zum 900. Geburtstag von Hildegard 1998 habe es indessen nicht gegeben. Damals seien sogar rund 30 000 Gäste zur Klosterruine gekommen.

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