In Europas Kreuzfahrthäfen wird es enger

Hamburg (dpa/tmn) - Kreuzfahrtrouten sind sich oft sehr ähnlich. Je mehr Schiffe in See stechen, desto größer wird das Gedränge um die Liegeplätze in den Häfen. Es gibt Grenzen des Wachstums - noch sehen die Reedereien sie allerdings nicht erreicht.

So manche kleine Karibikinsel erlebt das fast jeden Tag: Drei große Kreuzfahrtschiffe kommen kurz nacheinander in den Hafen und spucken 9000 Urlauber aus, die sich Rumpunsch trinkend und Souvenirs kaufend durch die Altstadt schieben. Das Mittelmeer, die Ostsee und Norwegens Fjorde sind von solchen invasionsähnlichen Zuständen zwar weit entfernt - aber auch an den Kaimauern in Europa wird das Gedränge größer. Die Flotten vieler Reedereien wachsen jedes Jahr, auch 2011 werden etliche Neubauten getauft. Hochseereisende müssen daher damit rechnen, auch in den Häfen der „alten Welt“ immer mehr Menschen zu treffen, die ähnliche Touren gebucht haben wie sie.

Für das laufende Jahr rechnet der Branchenverband Cruise Lines International Association in Fort Lauderdale/USA mit insgesamt 16 Millionen Passagieren bei seinen Mitgliedern. Das wäre ein Plus von 6,6 Prozent im Vergleich zu 2010. Ein Teil des Wachstums spielt sich auf der Atlantik-Ostseite ab - nicht nur wegen der neuen Schiffe der europäischen Reedereien. Auch einige US-Anbieter sind immer öfter in Europa unterwegs. Royal Caribbean International (RCI) zum Beispiel schickt diesmal elf Ozeanriesen zu Zielen von Istanbul bis Helsinki, gleich drei mehr als im Sommer 2010. Mit der „Liberty of the Seas“ und der „Independence of the Seas“ sind darunter zwei Exemplare der zweitgrößten RCI-Schiffsklasse mit Platz für jeweils 3634 Urlauber.

Die Auswirkungen des Wachstums werden in Europas Häfen im Sommer fast täglich zu sehen sein. „Die Frage 'Wird es nicht langsam eng?' darf man stellen“, findet Richard J. Vogel, Chef von Tui Cruises in Hamburg. Das gelte besonders für Ziele, die auch in Übersee bekannt sind, Barcelona zum Beispiel, Civitavecchia als Kreuzfahrthafen von Rom oder auch Mallorca. Alarmiert sind die Kreuzfahrtmanager dadurch aber noch nicht: Eine Großstadt wie Barcelona oder Hamburg verkrafte es ganz gut, 9000 parallel anreisende Schiffsgäste aufzunehmen, sagt Heiko Jensen, Deutschland-Chef der italienischen Reederei Costa. Das sei anders als in „monothematischen Destinationen“ wie in der Karibik, wo nach der Ankunft dreier Schiffe „ein Strand mit gelben Handtüchern voll liegt, einer mit roten und einer mit gestreiften“.

Die Reedereien stürzen sich auch deshalb auf die großen Städte am Mittelmeer und an der Ostsee, weil „viele kleinere Häfen weiterhin nicht in der Lage sind, große Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von 100 000 aufzunehmen. Da bleibt Platz für die Nischenanbieter“, sagt Vogel. Eine Mini-Nische ist es aber nicht - bei RCI etwa liegen weiter drei von sechs Schiffsklassen und damit 12 von 22 Schiffen unterhalb der 100 000er Schwelle. Außerdem gibt es unter anderem in Norwegen Ziele, die „nicht mehr als zwei Schiffe am Tag vertragen“, erklärt der Tui-Cruises-Manager: „Wenn parallel zwei Schiffe mit 3000 deutschsprachigen Gästen ankommen, haben die Lofoten ein Problem, genug deutschsprachige Touristenführer zur Verfügung zu stellen.“

Sein Unternehmen habe schon mal gezielt Reiseabläufe geändert, „um zu vermeiden, mit anderen großen Schiffen mit deutschsprachigem Publikum am gleichen Tag am gleichen Ort zu sein“, erzählt Vogel. „Keiner hat ein Interesse daran, in einen überfüllten Hafen zu kommen“, ist auch Heiko Jensens Devise. Und so kommt es dazu, dass die Reedereien tendenziell immer früher ihre Routen festlegen.

„Wir buchen jetzt bereits den Winter 2012/13 und planen schon für den Sommer 2013“, sagt Richard J. Vogel, der seit Mitte der 90er Jahre im Kreuzfahrtgeschäft ist. Ziel sei es, sich die Liegeplätze in den Häfen jeweils zwei Jahre im Voraus zu sichern. Am Anfang seiner Zeit seien diese Zyklen noch etwas kürzer gewesen, „und die Tendenz ist, dass die Vorausplanung eher in Richtung drei Jahre geht.“

Auch viele Häfen versuchen, mit dem Tempo der Kreuzfahrtanbieter mitzuhalten und haben deshalb ihre Anlegestellen erweitert. Das gilt zum Beispiel für Savona in Italien, Barcelona und Marseille, wo neue Terminals gebaut worden sind. In anderen Städten sehen die Experten dagegen noch Defizite. Auf Mallorca zum Beispiel habe der Ausbau erst begonnen, sagt Vogel, der auch in Nordafrika Nachholbedarf sieht, vor allem in Marokko. Costa-Manager Heiko Jensen würde sich über mehr Liegeplätze im östlichen Mittelmeerraum freuen.

„Im Moment sehe ich nicht, dass Häfen mehr Schiffe annehmen, als sie vertragen“, lautet dennoch Vogels Einschätzung. Und dass die Urlauber auf immer mehr Schiffen die immer gleichen Routen und die immer gleichen Häfen für ihre Landausflüge zur Auswahl haben, sei ebenfalls noch nicht der Fall. Eine Kreuzfahrtreederei könne „im Mittelmeer mit fünf Schiffen unterschiedliche Touren gleichzeitig fahren, wenn sie das Meer in der ganzen Breite nutzt“. Von einem solchen Angebot sind manche Großanbieter allerdings nicht mehr weit entfernt - oder haben es sogar schon in ihren Sommerkatalogen.

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