Kasachstan: Ein Land für Pioniere

Kasachstan ist von spröder Schönheit mit umso glanzvolleren Städten.

Foto: Tourismusministerium Kasachstan

Almaty. „Ich bin 1947 hierhergekommen und habe diese Stadt lieben gelernt.“ Rimas hellblaue Augen leuchten. Auf den ersten Blick schwer zu glauben, wirkt Almaty doch eher trist und grau, dazu der eiskalte Wind und leichter Schneeregen.

Foto: Air Astana

Es wird Winter, wenn auch im Süden Kasachstans etwas später als im Norden. Almaty, an der Grenze zu Kirgisistan gelegen, war einst die Hauptstadt des Landes, bis vor 17 Jahren die Regierung beschloss, umzuziehen. Nach Aqmola, das wenig später in Astana umbenannt wurde.

„Man wollte nicht mit der Vergangenheit konfrontiert werden“, erzählt Rima. Genauer gesagt: mit den Gebäuden aus den 50er Jahren, die das Stadtbild dominieren. Nicht alle sind restauriert, viele bröckeln und verfallen. Doch es gibt auch Villen, in Pastellfarben gestrichen, mit Türmchen und Erkern, die vom Reichtum dieser Stadt, dieses Landes zeugen.

Erst im Jahr 1991 hatte Kasachstan seine Unabhängigkeit von der damaligen UdSSR erklärt, die Hauptstadt Alma-Ata — der Name bedeutet übersetzt Vater des Apfels — wurde in Almaty umbenannt. „Es gibt noch heute diese wilden Apfelbäume außerhalb der Stadt, die ihr damals den Namen gaben“, sagt Rima und schwärmt von Früchten so groß wie Melonen, die sie vor vielen Jahren selbst gefunden hat. Sie ist Bergsteigerin, erklimmt noch immer die Gipfel des Tian Shan-Gebirges, die bis knapp 7500 Meter in den Himmel ragen.

Im Laufschritt folgen alle der rüstigen Seniorin zu Monumenten, prachtvollen Regierungsgebäuden und zum Hauptplatz der Stadt. „Hier finden zahlreiche Veranstaltungen, Volks- und Stadtfeste statt“, sagt Rima. Jetzt parken reihenweise Autos darauf, der Verkehr staut sich zu Stoßzeiten auf den mehrspurigen Straßen im Zentrum. Die Denkmäler von Stalin gibt es allerdings nicht mehr. „Viele Denkmäler sind modern gestaltet“, sagt Rima und zeigt auf das zweier Soldatinnen. Davor Rasen und Blumenbeete. „Almaty ist grün“, betont Rima. Überall finden sich Grünanlagen mit altem Baumbestand, sämtliche Hauptstraßen der Stadt sind von Bäumen gesäumt.

Almaty ist rund 160 Jahre alt, jung im Vergleich zu vielen anderen Städten Europas. Früher, im 10. Jahrhundert n. Chr., gab es lediglich ein paar Ansammlungen von Zelten, die zu größeren Siedlungen zusammenwuchsen. Heute leben rund 1,5 Millionen Menschen in Almaty, es ist noch immer geistiges und wissenschaftliches Zentrum des Landes.

Rima führt die Gruppe durch einen größeren Park. An dessen Ende taucht eine Kirche auf: gelb, grün, blau und golden verziert, verwinkelt mit Türmchen, Erkern und Säulen. Die Christi-Himmelfahrt-Kathedrale erstrahlt in orientalischen Farben und wurde von 1904 bis 1907 ganz aus Holz gebaut. „Almaty liegt in einem Erdbebengebiet, und man erkannte, dass Holzbauwerke nicht so schnell einstürzten“, erklärt Rima. Mit 56 Metern Höhe ist die Kirche heute das zweithöchste hölzerne Bauwerk weltweit.

Dann geht es eiligen Schrittes durch den Park zurück zur Straße. Auf vier Spuren schlängelt sich der Verkehr durch die Stadt. Am Straßenrand parken die Autos, Transporter und Mopeds in zwei Reihen. Dahinter Marktstände mit bunten Markisen, fahrende Händler mit CDs und anderen Plastikwaren. Schnurstraks geht Rima zum Eingang des „Green Bazaar“, einer Markthalle, wie man sie aus Asien kennt. Obst, Gemüse, Gewürze, Pflanzen und Trockenfrüchte sorgen für einen süßlich-herben Duft, der schwer durch die Halle wabert.

Almaty ist eine lebendige Stadt. Restaurants und Geschäfte säumen die Straßen, es gibt ein echtes Zentrum. Sie ist kein Planspiel und nicht auf dem Reißbrett entstanden wie Astana. Dort zeigen Stadtplaner an Modellen die Entwicklung Astanas bis 2030, wollen viel Grün in und um die City pflanzen. Mehrere Hauptverkehrsadern existieren bereits und werden weiter ausgebaut, alle strahlenförmig auf den Mittelpunkt Astanas zulaufend.

Der Flughafen wird weiter nach außen verlegt — aber nicht wegen eventueller Lärmbelastung der Anwohner, sondern weil er zu klein geworden ist. Tag und Nacht wird gestartet und gelandet — Astana boomt, und die staatliche Airline Air Astana hilft, das Land touristisch und wirtschaftlich zu entwickeln.

Eine Touristeninformation hat Kasachstan bislang nicht, erst im Juli wurde das Visum für Deutsche abgeschafft, die bis zu 15 Tagen im Land bleiben. „Das macht das Reisen leichter“, sagt Sven Gossow, Verkaufsmanager Air Astana. Damit Astana mit seinen glänzenden, abstrakt geformten Hochhäusern, den edlen Regierungsgebäuden, riesigen Sportstätten, Shopping-Malls und Parkanlagen zu einer interessanten Stop-Over-Destination wird, bietet Air Astana Programme für einen Kurzaufenthalt an.

Das sind vor allem Stadtbesichtigungen zu den Höhepunkten Astanas, das aus der kasachischen Steppe gestampft wird. Luxushotels gehören natürlich auch dazu. Nahezu alle großen Gebäude stammen aus der Zeit nach 1998, nachdem Astana die neue Hauptstadt geworden war.

Eine riesige weiße Moschee mit goldener Kuppel, eine futuristische Konzerthalle, eine Radsportarena fürs Team Astana, die aussieht wie ein Helm, der prachtvolle Präsidentenpalast und natürlich der Bajterek-Turm, dessen oberes Ende wie eine Krone aussieht, die eine goldene Kugel umschließt. Er gilt als das Wahrzeichen der Stadt, entworfen vom britischen Stararchitekten Norman Foster. Wie vieles andere — den Namen Norman Foster hört der Reisende ständig in Astana.

Zwei Städte voller Gegensätze, die zu entdecken sich lohnt. Doch Tourismus scheint in diesem Land nicht die oberste Priorität zu haben, obwohl er durchaus willkommen ist. Air Astana schlüpft in die Rolle des Touristen-Anwalts, legt Programme bis zu mehrtägigen Aufenthalten in Almaty und Umgebung auf.

Dazu gehören Mountainbike-Touren in die Steppe, Wandern, Golf und Skifahren in den Bergen. „Entdecke Kasachstan“ lautet der Titel einer Info-Broschüre, herausgegeben von der staatlichen Fluggesellschaft. Es gibt zahlreiche Ermäßigungen in Hotels und Restaurants, vierstündige City-Touren kosten rund 80 Euro pro Person. „Wir wollen das Land für Touristen attraktiver machen und die Reisenden nicht nur im Transitbereich der Flughäfen halten“, sagt Gossow.

In Kasachstan gibt es kaum touristische Strukturen. Beispielsweise keinen Mietwagenservice und kaum eine komfortable Möglichkeit, selbst raus zu fahren und das Land auf eigene Faust zu erkunden. Taxidienste entwickeln sich langsam, für Transfers empfiehlt sich der Service des Hotels. Doch Naturfreunde lassen sich gerade von dieser wilden, spröden Schönheit des Landes begeistern. Und von der Tatsache, dass Kasachstan ein touristisch kaum entwickeltes Reiseziel ist. Eben ein Land für Pioniere.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Air Astana.

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