München: Der Tourist als Kommissar

Mörderische Stadtführungen durch die bayerische Landeshauptstadt.

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München. Der Fall ist etwas undurchsichtig. Sabine Köhler wurde tot in ihrer Wohnung in der Blumenstraße in München gefunden, vergiftet. Ihr Mann, ein Arzt, weilte zur Tatzeit auf einem Kongress in Wien.

Mit der Putzfrau hatte die Tote noch am Abend vor ihrer Ermordung telefoniert. Ansonsten gibt es nicht allzu viele Informationen zu dem Verbrechen. Nur so viel: Eine Kollegin der Krankenschwester sitzt an der Feldherrenhalle. In der Klinik wird gemutmaßt, die Tote könnte ein Verhältnis mit dem Freund dieser Kollegin gehabt haben.

Mit diesen Informationen machen sich sechs Münchner und Auswärtige auf die Suche. Sie wollen beim Citythriller in der bayerischen Hauptstadt dem Mörder der fiktiven Frau Köhler auf die Spur kommen. Ausgerüstet mit Stadtplan, Block und Bleistift müssen sie Zeugen finden und befragen, Hinweisen nachgehen und aus den Informationen ein Tatmotiv stricken, das sie zum Mörder führt. Weiteres Utensil: ein Handy, mit dem sie Anrufe von Tatzeugen erhalten und bei der Einsatzzentrale anrufen können. Die kann wiederum Angaben prüfen und Spuren bestätigen.

„Giftcocktail“ heißt der Fall, den die Krimifans in München lösen müssen. Eine Geschichte mit vielen Handlungsfäden und verschiedenen Schauspielern, mitten in der Stadt, im typischen Gewusel, das am Samstagnachmittag in der Münchner City herrscht. Ein Codewort gibt es, wenn die Ermittler ihre Zeugen und Verdächtigen auf der Straße ansprechen: „Sie sollen nach Watson fragen“, erklärt Andi Wagner, der den Citythriller vor knapp zehn Jahren mit seiner Frau Rosi in Köln ins Leben gerufen hat. „Die Hinweise sind eindeutig — aber wenn auf einmal in einem Café zwei junge Frauen mit langen blonden Haaren sitzen, sollte man schon sichergehen, dass man die richtige befragt.“

Die Teilnehmer der Verbrecherjagd sind Krimifans, die Spaß daran haben, ihren Spürsinn zu testen. Einheimische und Touristen gleichermaßen. Barbara Jung und Sebastian Herrmann sind aus dem Westerwald zu Besuch bei Sebastians Bruder in München. „Für uns ist das eine interessante Möglichkeit, die Innenstadt ein bisschen genauer kennenzulernen“, sagt Jung.

Feldherrnhalle, Theatinerkirche, Residenz, die Frauenkirche, der Alte Peter, der Viktualienmarkt und das Hofbräuhaus — lauter markante Orte in der Landeshauptstadt. Hier und an anderen Stellen sitzen, laufen oder stehen Zeugen oder Verdächtige, die wertvolle Hinweise zum Fall liefern können, zum Beispiel die etwas verdächtige Kollegin von Frau Köhler. Sie erzählt davon, wie unbeliebt die inzwischen verstorbene Krankenschwester in der Klinik war.

Als sich die Befragung dem Ende zuneigt, rückt sie noch mit einem Tipp heraus. Gerade eben erst habe sie den Ehemann der Toten gesehen, „mit einer merkwürdigen Mütze auf dem Kopf, Jeans und Tweed-Jacke“. Auf geht’s also für die Freizeit-Kriminalisten, der genannte Ort ist nicht weit entfernt.

Und tatsächlich: In einem Geschäft läuft, leicht aufgescheucht, der vermeintliche Doktor Köhler herum. Leicht erkennbar an der Kopfbedeckung — und nicht willens, sich befragen zu lassen. Immer wieder versucht er, zu entwischen. Sogar die Passanten haben schon einen Blick auf den Mann und die kleine Gruppe mit dem Klemmbrett geworfen. Der Schauspieler gibt einen arroganten Zeitgenossen, der keine große Hilfe ist — aber draußen plötzlich eine vermeintlich fremde Frau zu umarmen versucht.

Die Kommissare fangen sie ein, stellen ihr Fragen zur Familie. Eher unfreiwillig gibt sie im Lauf der Befragung zwei wichtige Hinweise. Noch haben die Spuren keinen wirklichen Sinn. Zwar protokollieren die Ermittler die Hinweise, doch ein Motiv oder ein Tathergang wollen sich nicht herauskristallisieren. Der Doktor hat noch einen Hinweis auf eine gefeuerte Krankenschwester gegeben, die heute obdachlos in der City ihre Tage verbringt und schwer verknallt in den Arzt war.

Doch auch diese Zeugin bringt die Ermittler nicht so recht weiter. Nun, etwa zur Hälfte des Mitmach-Schauspiels, kommt ein zweiter Hinweiszettel mit einem Rätsel ins Spiel, den die Spürnasen zu Beginn mitbekommen haben. Er führt zu einer weiteren Sehenswürdigkeit in der Nähe, hier wartet die Putzfrau des Ehepaars — sie hat Interessantes aus dem Haus des Arztes zu erzählen. Doch so recht ist der Groschen immer noch nicht gefallen.

Eine Ermittlerin, die im richtigen Leben Psychologin ist, hat die verschiedenen Stränge und Hinweise in einem Diagramm auf den Block gezeichnet. Doch die Ratlosigkeit überwiegt. Die Teilnehmer versuchen, in alle Richtungen zu denken und alle Hinweise zu berücksichtigen. „Das ist total frustrierend“, sagt Julia Haas, die voll in die Rolle der Polizistin eingestiegen ist.

Doch dann kommen nach und nach die Telefonate, auf die die Kommissare gewartet haben, und die Indizien verdichten sich. Alle Ermittler, 32 in fünf Gruppen, treffen sich nun wieder. Die Gruppe mit der besten Argumentationskette darf schließlich eine Verhaftung vornehmen, die wiederum für Aufsehen in der Fußgängerzone sorgt. Andi Wagner freut sich darüber. „Es soll ein großes Finale geben“, sagt er.

Die Stücke schreiben die Wagners selbst, sie bieten die Touren in Köln, Düsseldorf, Bonn, München und Hamburg an. Mit Krimis hatte der gelernte Werbefachmann nichts zu tun — bis er vor acht Jahren sein Unternehmen gründete und seither Thriller-Freunde auf viele falsche und einige richtige Fährten führt.

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