Kroatien: Boote, Berge und Bruderschaften

Gebirgiges Hinterland, hübsche Küstenstriche und ein reiches kulturelles Erbe: In Kroatien gibt es viel zu sehen.

Foto: Daniela Kebel

Ohne Zweifel — das Land ist „in“. Zum einen aufgrund seiner atemberaubenden Landschaft, seiner noch zivilen Preise und der Tatsache, dass in ähnlich attraktiven Landstrichen, die noch vor Monaten Touristenmagnet waren, mittlerweile die Angst vor Anschlägen kursiert. Kroatien mitsamt seinen rund 1200 Inseln und Inselchen bringt es auf knapp 6000 Kilometer Küste — zwar nicht sandig, aber vom Feinsten. Und das Land lässt dem Auge Platz zum Schauen und Staunen: Das Hinterland ist gebirgig und macht Lust auf alpine Ausflüge, die Küstenlandstriche tauchen den Blick des Betrachters in azurblaues, glitzerndes Wasser, die Spuren der Griechen, Römer und Venezianer und die Kulturschönheiten der alten Städte im Rang des Unesco-Weltkulturerbes lassen den Bildungsbürger zufrieden dreinschauen.

Foto: Daniela Kebel

Vorausgesetzt, er nutzt die Vor- und Nachsaison, denn ansonsten ist es viel zu heiß und viel zu voll, um auf Besichtigungstour zu gehen. Die Menschendichte in der Hauptsaison ist den Touristen geschuldet, die das Strandleben, Ausflüge mit eigenen oder gecharterten Booten oder einfach das Nichtstun im Kollektiv genießen. Die kroatische Bevölkerung dagegen ist zahlenmäßig dünn gesät — quasi ein Mal Paris. Der Tourismus ist eine der Haupteinnahmequellen Kroatiens, was von Bosnien-Herzegowina neidvoll beäugt wird, denn dort muss man sich als Anziehungspunkt mit einem Mini-Küstenstrich zufrieden geben, der gerade mal Platz bietet für Neum, einzige Küstenstadt der Bosnier in dieser Region, und natürlich das in den Sommermonaten brütend-heiße Mostar.

Dessen historische Brücke „Stari most“ wurde während der Kämpfe 1992/93 von Kroaten weggebombt, später wieder aufgebaut und kann seit 2004 bewundert werden — oder auch nicht. Der Rummel vor und auf der Brücke ist unbeschreiblich und die glatten Pflastersteine sind recht ungemütlich.

Genauso voll, aber absolut sehenswert ist die Weltkulturerbe-Stadt Dubrovnik, die mit der Schönheit ihrer Bauten besticht. Wo immer sich in diesem historischen Flecken ein freies Eckchen, eine schmale Gasse auftut, reiht sich Restaurant an Restaurant, damit nicht nur das Auge satt wird vom Sehen.

Nach solchen Bädern in der Menge genießt man die beschaulichen Bootstouren in die Canyons, beispielsweise bei Omis und Brela. Oder man verliert sich in Sibeniks Schönheit, vorausgesetzt man lässt sich von der eher tristen Kulisse am Rande der Stadt nicht davon abhalten, in die Altstadt vorzudringen. Dort hat sich der Physiker und Erfinder Nikola Tesla ein Denkmal gesetzt, der Sibenik als erste Stadt Kroatiens mit elektrischem Strom versorgte und Namenspatron der Tesla Motors ist, die, mit Sitz in Silicon Valley, Autos der Luxusklasse bauen, ausgestattet mit Elektromotoren.

Ein Muss sind Touren zu den zahlreichen Inseln, die von Luxus bis hin zum Landleben alles bieten. Ob mit Motorboot, Segelschiff oder per Touri-Dampfer — die Anreise lohnt. Allerdings sollte man sich auf die starken Winde an der kroatischen Küste seelisch vorbereiten. Sie kommen urplötzlich und mit enormer Kraft. Die Bora kann mit mehr als 200 Stundenkilometern über die Adriaküste rasen und zählt zu den stärksten Winden der Welt. Hinterher, schwärmen die Kroaten, sei der Himmel so wunderbar blau, das Wasser so glatt und schön wie ein Tischtuch und die Luft so perlend wie Champagner. Doch bis es soweit ist, entleert sich der eine oder andere Magen mit Wucht. Man schwört, nie wieder seinen Fuß auf ein Boot zu setzen, nie wieder einen Bissen zu sich zu nehmen oder einen Schluck zu trinken. Und dann, kaum hat man seine Endzeit-Gedanken zu Ende gebracht, hört die Bora genauso plötzlich auf, wie sie gekommen ist.

Ins Ploce-Delta mit seinen idyllischen Wasserebenen und fruchtbaren Landstrichen verirrt sich kaum ein Tourist. Dort wächst und gedeiht fast alles, drei Ernten im Jahr sind die Regel. Mandarinenbäume versprühen ihren süßlichen Duft. Ihre Früchte sowie Kirschen, Aprikosen, Pfirsiche, Kiwis, Orangen und Erdbeeren werden je nach Jahreszeit an Straßenständen angeboten. Nicht zufällig nennt man dieses Gebiet auch „kroatisches Kalifornien“.

Wer es weniger fruchtig mag, kann sich an Austern und Muscheln laben. Beides wird in den sauberen Gewässern gezüchtet und auch an Ständen zur Verköstigung angeboten. Brasse und Thunfisch stehen ebenfalls hoch im Zucht-Kurs und letzterer gehört zu den Exportartikeln Kroatiens. Hauptabnehmerland ist Japan. Natürlich gibt es in den Gewässern an der kroatischen Küste auch Haie. Der eine oder andere Katzenhai landet allerdings auf den Büffets in den Hotels.

Um bei den Fischen zu bleiben, lohnt sich ein Ausflug zur Insel Korcula, in deren Inselhauptstadt die Straßen angelegt sind wie Fischgräten — schräg zum Wind, damit die Belüftung klappt und der Sturm einem nicht die Mütze vom Kopf fegt. Die wunderbaren Windverhältnisse auf und rund um das Eiland bieten ideale Verhältnisse für die Cracks unter den Windsurfern, deren Können dem Betrachter ehrwürdiges Staunen abverlangt.

Korcula rühmt sich zudem, Geburtsort des berühmten Seefahrers Marco Polo zu sein, aber genau das behauptet Venedig auch. Fest steht nur, dass die Familie Marco Polos aus Dalmatien stammt. Das ist ja auch schon was.

Nahe des angeblichen Geburtshauses von Marco Polo kann man getrost einen Blick in das sogenannte Ikonen-Museum werfen. Die Anzahl der Bilder ist verschwindend gering. Dafür ist die Geschichte der dort beheimateten Bruderschaften umso interessanter. Sie standen im Rang einer Gilde und machten Lobbyarbeit für ihre jeweilige Handwerkerzunft. Die älteste von ihnen ist die der Schiffsbauer. Die Mitgliedschaft in so einer Zunft wurde früher vererbt, heute reicht es Inselbewohner und katholisch zu sein, denn die Clubs für Männer sind nur noch zuständig für die beeindruckende jährliche Osterprozession, während der mächtige Kerzen von bis zu 100 Kilo Gewicht durch die Straßen geschleppt werden.

Ein Ausflug in einen der Nationalparks sollte ebenfalls nicht fehlen. Dort können Naturfreunde zum Beispiel die Drehorte der Winnetou-Filme entdecken.

Mit Deutsch oder Englisch kommen Besucher überall zurecht, denn viele Kroaten haben jahrelang in Deutschland gelebt, gearbeitet und, zurück in der Heimat, Hotels und Ferienhäuser gebaut.