London London: Willkommen in der Zauberwelt von Harry Potter

In London können Besucher bei der Warner Bros. Studio-Tour in die magische Welt von Harry Potter eintauchen.

Foto: Warner Bros. Entertainment Inc.

London. Es ist — im wahrsten Wortsinn — wie im Film. Als sich die großen, mit verschnörkeltem Eisen beschlagenen Türen öffnen, wechselt der Besucher in eine Zauberwelt: mit fliegenden Besen, Autos und Drachen, mit sprechenden Wandbildern, mit magischen Süßigkeiten, die den Konsumenten wahlweise wie einen Luftballon anschwellen, animalisch brüllen oder vor Übelkeit grün werden lassen. Eine Welt, in der junge Zauberschüler Objekte verwandeln, sich an einen anderen Ort hexen und gegen das Böse kämpfen, das die Herrschaft im Land zurückerobern will.

So muss sich der damals elf Jahre alte Zauberlehrling Harry Potter gefühlt haben, als er das erste Mal, gemeinsam mit hunderten jungen Magiern, die Große Halle von Hogwarts betrat, das Herzstück der wohl bekanntesten Zaubererschule der Welt. Schwere, meterlange Holztische sind festlich eingedeckt mit Tellern, Besteck und Kelchen aus Material, das aussieht wie teilvergoldetes Zinn. Wildschweinköpfe zieren Glaskaraffen. Kratzer in den blank gescheuerten dunklen Tischplatten erzählen von Generationen von Schülern, die unter einem Himmel voll schwebender Kerzen miteinander gegessen, Feste gefeiert sowie gute und entsetzliche Nachrichten empfangen haben.

Foto: dpa/Warner

Auch jetzt hallen Kinderstimmen durch den Saal, vor Begeisterung quietschend. Fackeln entlang der Säulen brennen, gehalten von steinernen Figuren, jede von ihnen eines der vier Wappentiere: Dachs, Adler, Löwe, Schlange. Der sprechende Hut, der alle Erstklässler je einem der vier Häuser zuordnet, thront speckig braun auf einem kunstvoll geschnitzten Schemel. Dahinter steht der weißbärtige Schuldirektor Albus Dumbledore im grauen Gewand, umringt von Lehrkräften wie Professor Minerva McGonagall, Severus Snape und dem Halbriesen Rubeus Hagrid. Zwar sind es nur Nachbildungen der außergewöhnlichen Film-Charaktere. Und doch: Fast hört man Dumbledore am in echtes Gold getauchten Eulen-Podium die Ansprache halten, mit der er seine Hogwarts-Schüler alljährlich willkommen heißt.

Rund 6000 Harry-Potter-Fans besuchen täglich die „Warner Bros. Studio-Tour London — the Making of Harry Potter“ im britischen Leavesden, in denen die weltweit bislang erfolgreichste Filmreihe entstand. Zwischen 1939 und 1994 waren dort, im einstigen „Leavesden Aerodrome“, Kampfflugzeuge für das britische Verteidigungsministerium gebaut worden, später Flugtriebwerke von Rolls Royce.

Danach wurde aus Flugplatz und Fabrik eine Filmproduktionsstätte. Im Jahr 2000 begannen die Arbeiten zum ersten von acht Harry-Potter-Filmen. „Im Schnitt halten sich Fans dreieinhalb Stunden hier auf. Der treueste blieb fast 14 Stunden“, sagt James Marks. Er führt Besucher über das weitläufige Gelände und erzählt ihnen Anekdoten zu den aufwendigen Dreharbeiten, die insgesamt mehr als zehn Jahre dauerten.

„Die Entwicklung des Kleides der Darstellerin von Luna Lovegood brauchte mehrere Monate“, plaudert der 25-Jährige, während seine Gruppe im Bereich Kostümdesign — pro Film waren mehr als 50 Kostümbildner im Einsatz — die Original-Ball-Garderobe einiger Hauptfiguren bewundert. In der „Maske“ ist unter anderem die Perücke von Harry Potters Widersacher Draco Malfoy ausgestellt. Die habe er tragen müssen, so Marks, da seine Haare vom Blondieren mit der Zeit grün geworden seien. Beim Anblick einer stattlichen Ansammlung von Schokoladen-Desserts aus bemaltem Harz erfahren Fans, dass wegen der Geruchsentwicklung nur im ersten Film echtes Essen am Set verwendet und später dafür täuschend echte Attrappen wie diese geschaffen wurden.

Im „Gryffindor“-Schlafraum der männlichen jungen Hauptdarsteller sind die Betten ordentlich gemacht. Auf dem Gitter um den altertümlichen Ofen — er hatte laut Marks schon einen Auftritt in Lasse Hallströms Film „Chocolat“ — trocknen Wollsocken. Im Gemeinschaftsraum nahmen zahlreiche Streiche, gefährliche Abenteuer und so manche Liaison ihren Anfang. Es ist, als würden die Zauberer jeden Moment einkehren, sich am gemauerten Kamin niederlassen und nach der Teetasse greifen, in der noch der Löffel lehnt. Im Büro von Professor Dumbledore bedeckt eine Literatursammlung meterhohe Wände. „Das sind alles in Leder eingebundene Telefonbücher, damit sie antik aussehen“, verrät Marks.

Es sind Original-Sets wie diese, an denen sich Besucher intensiv mit Harry Potter und seinen Freunden, Mitschülern, Lehrern und Widersachern verbunden fühlt. Bei den bis in die letzte Nuance ausgearbeiteten Kulissen und Accessoires überließen die Macher nichts dem Zufall. Sogar in der Klang-Atmosphäre setzt sich diese Liebe zum Detail fort.

Zauberhafte Glöckchen läuten leise, suggerieren dem Besucher, er befinde sich mitten im Film. An jeder Station wird deutlich, wie viel Konzept, Design, Mühe und Fantasie in jedem noch so kleinen Film-Baustein steckt. Doch lässt sich der gigantische Aufwand der Produktionen nur erahnen.

Auch Technik-Interessierte kommen auf ihre Kosten, unter anderem dank den eingesetzten animatronischen Figuren und den Spezialeffekten. Das detailgenaue Modell vom Hogwarts-Schloss im Maßstab 1:24 etwa, an dem 80 Personen mitgearbeitet haben, ist eines der erstaunlichsten und aufwendigsten Elemente, wie sich in einer separaten Halle nachvollziehen lässt.

Am Ende der Tour mag der eine oder andere Zauberfilm-Liebhaber ernüchtert sein, denn im Film gibt es mehr Schein, als man denkt.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Warner Bros. London.

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