Magie des Mekong - Eine Flussreise von China bis Vietnam
Shangri-La (dpa/tmn) - Wie ein Versprechen klingt für viele Reisende der Name Shangri-La, ein mythischer Ort paradiesischen Glücks. Doch dahinter verbirgt sich eine gewöhnliche chinesische Stadt in der Provinz Yunnan.
Hier verlässt der Mekong, der große Strom Südostasiens, das tibetische Hochland und bahnt sich dann seinen Weg weiter durch den Südwesten Chinas. Sechs Länder durchquert er insgesamt - auf einer Länge von mehr als 4300 Kilometern.
Shangri-La ist da nur eine von vielen Städten am Flussufer. Und noch dazu unspektakulär. Bis 2001 hieß sie Zhongdian und war völlig unbekannt. Mit dem mythischen Namen wollen die lokalen Behörden Touristen in die Einsamkeit der Hochgebirgslandschaft locken. Aber das verschweigt Herr Hu, der Reiseführer, lieber. Immerhin lohnt der Besuch des Sungtseling-Klosters, hoch über der Stadt, in dem rund 400 buddhistische Mönche leben.
Herr Hu zeigt der Reisegruppe auch Lijiang. Die historische Altstadt mit ihren kopfsteingepflasterten Gassen, Holzhäusern und malerischen Kanälen wurde nach einem Erdbeben 1996 wieder aufgebaut und ist ein beliebtes Touristenziel. Erst ab Jinghong wird der Mekong schiffbar. Und das auch nur deshalb, weil die Chinesen Felsen aus dem Flussbett gesprengt und Staudämme für ihren ungeheuren Energiebedarf gebaut haben. Später bildet der Fluss über 200 Kilometer eine natürliche Grenze zwischen Laos und Myanmar.
Am berühmt-berüchtigten Goldenen Dreieck, wo Thailand, Myanmar und Laos aneinandergrenzen, zeigt die Hall of Opium, wie Schlafmohn angebaut, zu Drogen verarbeitet und geschmuggelt wurde. Das vom thailändischen Königshaus gestiftete Museum ist Teil eines Projekts, das die Abhängigkeit der Menschen vom Schlafmohnanbau beenden und wirtschaftliche Alternative ermöglichen soll.
Vom Goldenen Dreieck fließt der Mekong breit und ruhig dahin. Von hier starten auch kleinere Kreuzfahrtschiffe, und Touristen können einen der landschaftlich schönsten Flussabschnitte vom Boot aus genießen. „Herzlich willkommen auf der „Mekong Sun““, begrüßt Schiffsmanager Mr. Oth die Passagiere auf Deutsch. Erlernt hat er die Sprache, als das sozialistische Laos ihn zum Studium in die DDR delegierte. Zurück in seiner Heimat fand sich kein Job für den Fernmeldeingenieur. Oth führte erst Touristen durch seine Heimat. „Irgendwann kam dann die Idee von einem schwimmenden Hotel“, erinnert sich der 50-Jährige. Weil es in ganz Laos keine Werft gibt, haben er und seine Männer das Schiff auf einer Sandbank zusammengezimmert.
„Der Mekong ist nicht leicht zu befahren“, erklärt Kapitän Khampet. Deshalb dekoriert er nach einem alten Ritual den Bug mit einem Blumenstrauß und Reisklümpchen. Damit will er die bösen Flussgeister besänftigen: „Die sind gefährlich, deshalb opfere ich, um das Glück auf meiner Seite zu haben.“ Glück ist notwendig, wenn es etwa darum geht, im Wasser treibenden Baumstämmen auszuweichen. Trotzdem müssen die Matrosen ins braune Flusswasser steigen, um die vom Treibholz beschädigte Schiffsschraube zu reparieren.
Das Schwierigste aber sind die extrem unterschiedlichen Wasserstände: Der Pegel kann hier bis zu zwölf Meter schwanken. In der Trockenzeit gibt es nur schmale Fahrrinnen, in der Regenzeit müssen Stromschnellen und vom hohen Wasserstand verdeckte Klippen umschifft werden. Rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit sucht der Kapitän deshalb nach einer Sandbank zum Ankern. Dann ist auch Zeit für das Abendessen. Chefkoch Ti und seine Helfer haben Hühnersuppe mit Ingwer gekocht, dazu gibt es Reis mit Gemüse und einer scharfen Tjäo-Sauce.
Anker lichten, heißt es früh am Morgen. Der Dschungel reicht bis an die Ufer heran, und von Zeit zu Zeit sind auch die Hütten der in kleinen Dörfern lebenden Bauern zu sehen. Manchmal tauchen Elefanten auf - sie sind als Arbeitstiere eingesetzt und bugsieren schwere Teakholzstämme ans Ufer. Ganze Hügel sind abgeholzt, weil Teak viel Geld bringt. Später kommt eine Badestelle in Sicht, wo Kinder planschen, während die Mütter im Flusswasser Wäsche, Geschirr oder ihre Haare waschen.
Bei Pak Tha ankert das Boot für einen Dorfbesuch. Hier scheint die Zeit im Mittelalter stehen geblieben zu sein. Aus den Bambushütten kommen halbnackte Kinder. Scheu bestaunen sie die Fremden und freuen sich, wenn sie ihr Konterfei in den Displays der Kameras betrachten.
Auch einige Kilometer weiter flussabwärts werden die Gäste herzlich empfangen. Die Dorfältesten von Thanoon haben sich unter einem Bambusdach versammelt, ein Zeremonienmeister murmelt Gebete. Einheimische und Touristen berühren das Tablett mit aufgetürmten Opfergaben, schließlich bindet jeder jedem einen weißen Bindfaden ums Gelenk. „Diese Zeremonie entstammt einem alten laotischen Volksglauben“, erklärt Mr. Oth. Der besagt, dass die guten Geister angebunden werden müssen, damit sie nicht aus dem Körper fliehen. „Das funktioniert aber nur, wenn ihr die Bänder nicht entfernt und sie so lange tragt, bis sie von selbst abfallen.“
„Pak Ou!“, ruft der Kapitän und deutet auf einen Felsvorsprung. „Das müsst ihr Euch anschauen!“ Er legt mit dem Boot direkt an den Felsklippen an. Stufen führen steil nach oben. Hinter einem kleinen Eingang verbirgt sich in einer riesigen Kalksteinhöhle einer der wichtigsten Wallfahrtsorte des Landes. Tausende Buddha-Statuen schimmern goldfarben im Dämmerlicht. „Sie bewachen den Fluss, seine Geister und seine magischen Kräfte“, erzählt der Kapitän. 30 Kilometer flussabwärts liegt Luang Prabang, die alte Königsstadt und religiöses Zentrum des „Reichs der eine Million Elefanten“, wie Laos früher hieß.
Schon früh am Morgen sind Hunderte Mönche mit ihren Bettelschalen zum Almosengang unterwegs. Die Farben ihrer Gewänder verleihen dem sonst so diesigen Morgen eine besondere Faszination. Langsam zieht die Prozession durch den Ort. Frauen kommen aus den Häusern, füllen Reis und andere Speisen in die Gefäße und bedanken sich, dass ihre Gabe angenommen wird. Jeder Laote sollte einmal in seinem Leben eine Zeit lang als Mönch in einem buddhistischen Kloster leben, erzählt ein junger Mönch. Die Novizen in den Klöstern unterhalten sich gern mit den Touristen, um ihre Englischkenntnisse zu trainieren.
Vanpenh zum Beispiel kommt aus einem entlegenen Bergdorf, seine Familie ist arm und das Mönchtum die einzige Chance, zu Bildung zu kommen. Neben Englisch studiert er im Kloster die Gebote Buddhas und erlernt Grundlagen der Mathematik. Irgendwann im nächsten Jahr, sagt er, will er zurück ins weltliche Leben.
Mit ihren goldglänzenden Tempelbauten, dem Königspalast und weiteren 600 denkmalgeschützten Häusern ist das zum Weltkulturerbe gehörende Luang Prabang einer der Höhepunkte am Mekong. In der heutigen Hauptstadt Vientiane, für die meisten Kreuzfahrten Endpunkt ihrer neuntägigen Passage, genügt ein Stadtbummel, um Sehenswürdigkeiten wie das Nationalheiligtum That Luang und den fotogenen Triumphbogen zu besichtigen.
In Vat Phou ganz im Süden von Laos lohnen die vor 1500 Jahren von den Khmer angelegten Tempel einen Besuch. Der ungewöhnlich breite Wasserfall Khone Liphi/Khone Pha Phaeng ist der letzte touristische Höhepunkt, bevor der Mekong seine Reise durch Kambodscha beginnt. Dort ist ein Ausflug nach Siem Reap Pflicht. „Je nach Wasserstand fahren wir mit einfachen Schnellbooten oder einem Bus“, sagt Reiseführer Wanna Yung und empfiehlt, mindestens zwei Tage für das berühmte Angkor Wat und einige versteckte Schätze einzuplanen.
Der letzte Flussabschnitt des Mekong führt in den Süden von Vietnam, wo er sich in gewaltige Mündungsarme und winzige Kanäle aufteilt und ins Südchinesische Meer strömt. Den Menschen im dicht bevölkerten Delta bringt er ein Geschenk mit: Die Sedimente, die er mit sich führt, machen den Boden fruchtbar und sorgen für reiche Ernten.